Der Attentaeter von Brooklyn
sehe ihn«, sagte Omar Jussuf.
Chamis Sejdan folgte Omar Jussufs Blick. »Der Präsident soll in wenigen Minuten sprechen, und dieser Junge sitzt da und lacht wie ein Baby, das mit seiner Rassel spielt. Vielleicht hast du dich in ihm getäuscht.«
Noch nie hätte ich mich so gern getäuscht , dachte Omar Jussuf und kaute auf seinem Zeigefinger herum.
Chamis Sejdan nahm den Platz neben Oberst Chatib ein, von dem aus er eine gute Sicht hatte, beugte sich vor und redete mit dem Präsidenten. Omar Jussufs Kehle war trocken. Und als er die UN-Ausweiskarte in seiner Tasche befingerte, wurde diese schweißnass. Er reckte den Hals und sah, dass Ismail immer noch an seinem Platz saß.
Die Tür des öffentlichen Foyers wurde plötzlich unter lautem Geschrei aufgerissen. Vier junge Amerikaner drängten sich an einem Wächter im weißen Hemd vorbei und rannten den kurzen Gang entlang. Einer von ihnen, der ein blaues Sweatshirt mit der israelischen Flagge auf der Brust anhatte, entrollte ein Banner mit der Aufschrift: Präsident der Mörder . Die anderen riefen Beleidigungen und stürmten auf die palästinensische Delegation zu. Der Präsident sackte so tief auf seinem Sitz zusammen, dass die Schulterpolster seines Anzugs an seine Ohren stießen.
»Terrorist! Judenmörder!«, rief einer der Demonstranten. »Schlimmer als Hitler!«
Chamis Sejdan und Oberst Chatib sprangen auf und rangelten mit den Demonstranten. Chatib packte ein schlankes Mädchen von Mitte zwanzig und riss sie zu Boden. Ihre Zwischenrufe verwandelten sich in Schock- und Schmerzensschreie. Chamis Sejdan schlug den jungen Mann, der einen Zipfel des Banners festhielt, und gab ihm einen Stoß, sodass er über das Mädchen stolperte. Der Leibwächter des Präsidenten rang mit den beiden anderen Demonstranten, während zwei UN-Sicherheitskräfte über die Treppe zu Hilfe eilten.
Omar Jussuf wandte den Blick vom Handgemenge ab zur libanesischen Delegation. Ismail stand auf und flüsterte seinem Chef lächelnd etwas zu. Er ging den Gang hinunter und strebte einem Ausgang in der Nähe des vorderen Saals zu.
Hinter dem türkisfarbenen Marmortisch auf dem Podium lugte der Vorsitzende nervös ins Getümmel, während er die Tagesordnung runterrasselte. Nach den einführenden Bemerkungen des jordanischen Außenministers würde als zweiter der Präsident sprechen. Omar Jussuf sah zum Ausgang, durch den Ismail verschwunden war. In den Dolmetscherkabinen darüber flackerten mattgrüne Lichter. Er wollte sich an Chamis Sejdan wenden, aber der Polizeichef lag auf dem Boden und hielt einen der Demonstranten fest.
Omar Jussuf sah auf die Uhr. Der Präsident sollte in weniger als zehn Minuten sprechen. Er eilte aus dem Saal. Zu seiner Linken versperrte ein Sicherheitsbeamter den Zugang zum Delegiertenbereich. Omar Jussuf wischte den Schweiß von seinem UN-Ausweis, hielt ihn dem Wächter hin und betrat einen langen Flur, der sich entlang des Vollversammlungssaals erstreckte. Am Ende des Korridors sah er Ismail um eine Ecke huschen.
Während Omar Jussuf über den dünnen Teppich humpelte, war es still im Flur. Der Schmerz in seinem Fußgelenk drang bis ins Schienbein. Was würde er Ismail sagen, wenn er ihn eingeholt hätte? Dass die Rede des Präsidenten nichts als leere Rhetorik sein würde? Dass es töricht wäre, sich zu opfern, um diesen Mann davon abzuhalten, Versprechen abzugeben, die er nie würde halten können? Am Tag zuvor hatte Omar Jussuf versucht, Ismail von seinem Vorhaben abzubringen. Neue Argumente, mit denen er gegen einen Jungen ankommen konnte, der entschlossen war, im Namen seines Gottes zu morden, fielen ihm nicht ein – und er war sich sicher, dass Ismail seinen Platz verlassen hatte, um einen Mord zu begehen.
An seinem Ende teilte sich der Flur in eine Treppe und ein Foyer, das sich in einem Bogen hinter der Bühne des Saals entlangzog. Omar Jussuf vermutete, dass Ismail versuchen wollte, so dicht wie möglich ans Podium heranzukommen, wenn er vorhatte, den Präsidenten zu erschießen. Omar Jussuf ging in das Foyer. Seine Schuhe tappten auf dem nackten weiß gestrichenen Boden, und in der Stille hallten seine Schritte wider. Auf der anderen Seite der Wand war die ganze Welt versammelt, aber Omar Jussuf kam sich ganz und gar allein vor.
Omar Jussuf stellte fest, dass sich die Galerie zwar hinter dem Saal entlangzog, aber keinen Zugang zur Bühne besaß. Er erreichte einige kleine Fenster mit Blick auf die Plaza hinter dem UN-Gebäude. Die kahlen
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