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Der Attentaeter von Brooklyn

Der Attentaeter von Brooklyn

Titel: Der Attentaeter von Brooklyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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Beobachterstatus hat – nicht einmal Vollmitglied ist. Armes kleines Palästina.«
    »Meinst du denn, dass wir verzichten sollen, wenn man uns das Rederecht einräumt?«, sagte Omar Jussuf. »Sollen wir etwa den Präsidenten auf dem Podium der UN umbringen, während er die Welt daran zu erinnern versucht, dass es auch noch diesen Tisch am Ende des Saals gibt?«
    »Sie wissen, dass es uns gibt. Aber sie kennen die Macht nicht, die auszuüben wir bereit sind.«
    »Die Macht zu sterben?« Omar Jussuf schüttelte den Kopf und setzte sich auf einen der Besuchersitze. »Dieser Tisch in der letzten Reihe ist der Platz, den Palästina sich in der Welt selbst gesucht hat. Vielleicht verdienen wir nicht mehr. Was ist mit deiner Welt? Es gab mal eine Zeit, als ich dich besser kannte als du dich selbst. Wenn ich dich heute so höre, scheint das immer noch so zu sein.«
    Ismail senkte den Kopf und verschränkte die Finger ineinander.
    »O Ismail, es tut mir leid zu sehen, was aus dir geworden ist. Ich mache dir keine Vorwürfe, mein Junge. Du hast während der Intifada genug im Gefängnis gelitten, und dann warst du von deiner Familie getrennt und allein im Libanon.«
    »Bedauern Sie mich nicht. Ich habe meinen Glauben im Islam gefunden, Ustas . Meine Liebe zu Allah.«
    »Du liebst Allah nur deswegen so, weil du auf dieser Erde niemanden geliebt hast«, sagte Omar Jussuf. Er streckte Ismail seine Hand entgegen. Der Junge saß mit schmalen, verbitterten Augen neben seinem alten Lehrer.
    »Was im Gefängnis passiert ist, hat mich wütend und ängstlich allem und jedem gegenüber gemacht. Außer Ihnen, Ustas .« Ismail tätschelte Omar Jussufs schmalen Handrücken.
    »So wütend, dass du auf blutrünstige Imame hörst? Dass du glaubst, Mord sei Bestandteil der Politik?«
    »Ich habe Raschid nicht umgebracht.«
    »Das meine ich nicht. Aber den Präsidenten?«
    »Sie sind der Einzige, auf den ich nicht wütend bin, Ustas .« Er drückte ein letztes Mal Omar Jussufs Finger und stand auf. »Ich muss jetzt zu meinen Kollegen.«
    »Sehe ich dich später noch?«
    Ismail schüttelte den Kopf und zwinkerte heftig, um die Tränen zu unterdrücken. »Richten Sie Umm Ramis meine Liebe aus, wenn Sie wieder in Bethlehem sind. Und meinem Freund Ala.«
    »Ismail, warte.«
    »Möge Allah Ihnen gnädig sein, Ustas .«
    Ismail ging rasch zwischen den Mitgliedern einer Touristengruppe hindurch, die sich auf den verschlissenen Kordsitzen im öffentlichen Bereich niederließen, um den Ausführungen der Fremdenführerin über den Vollversammlungssaal zu lauschen.
    Omar Jussuf blinzelte zum Podium, auf dem am nächsten Morgen der Präsident sprechen sollte. Er versuchte, sich Ismails müden Blick und das zu frühe Grau in seinem Bart vorzustellen, doch ihm kam nur der fröhliche Junge in den Sinn, der unter seinen Assassinen der Unbegabteste, aber Überschwänglichste gewesen war.
    Vor ihm auf dem Tisch stand das P in Palästina leicht schief. Er schnalzte mit der Zunge, beugte sich über die Kiefernholzbarriere und streckte den Arm nach dem schwarzen Plastikschild aus, um den Buchstaben zu richten. Die Fremdenführerin, die die Touristen informierte, rief ihm zu, nichts anzufassen. Er winkte ab, um sie zu beruhigen. Das Schild konnte er sowieso nicht erreichen.

Kapitel
30
    Oberst Chatib schlurfte durch den Eingang der Vollversammlung. Er fing Chamis Sejdans Blick auf, der in der Tür stand, und grinste mit sardonischer Boshaftigkeit. Von seinem einige Reihen entfernten Platz im Zuschauerbereich machte Omar Jussuf im strengen, knappen Nicken, mit dem Chamis Sejdan darauf antwortete, eine Art Einverständnis zwischen den beiden Polizisten aus. Chatib polterte die Treppe hinunter und setzte sich auf einen Platz in der letzten Reihe der Versammlung direkt hinter dem Präsidenten. Er raffte seine schwarze Lederjacke überm Bauch zusammen, rieb sich den kantigen, kahlen Schädel und beobachtete die Konferenz mit mürrischer Distanz.
    Chamis Sejdan folgte Chatib die Treppe hinunter und ließ seine Blicke über die Versammlung schweifen. Als er zur Barriere zwischen der Zuschauerzone und dem Delegiertenbereich kam, beugte er sich zu Omar Jussuf herüber und flüsterte: »Dein Junge, Ismail, ist hier, stimmt’s?«
    Omar Jussuf blickte suchend über die Tischreihen hinweg und buchstabierte dabei stumm das englische Alphabet, um auf keinen Fall den Tisch der libanesischen Delegation zu übersehen. Ismail saß auf seinem Platz und scherzte mit seinem Chef. »Ich

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