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Der Attentaeter von Brooklyn

Der Attentaeter von Brooklyn

Titel: Der Attentaeter von Brooklyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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wütenden Zynismus des Fanatikers Ismail abgestoßen. Er rang nach Worten, die den Jungen erreichen konnten. »Glaubst du, dass Allah nur an den Orten bekannt ist, an denen bereits jedermann nach seinem Willen handelt? Allah ist hier. Allah wohnt in New York.«
    »Das ist Blasphemie. Allah wohnt in Mekka.«
    Omar Jussuf lachte. »Ich wundere mich über dich. Du denkst wie ein Bauer. Allah ist überall dort, wo er gebraucht wird.«
    »Aber Sie sind ja nicht mal ein Gläubiger, Ustas .«
    »Ich glaube, dass Allah ein Geheimnis ist. Glaubst du wirklich, dass er auf der Kaaba in Mekka sitzt? Empfindet er etwa kein Mitgefühl für die Menschen in New York, auch wenn sie räumlich weit von ihm entfernt sind?«
    Sie erreichten die leere Generalversammlung und gingen durch den hinteren Besucherbereich. Eine Weltkarte, die sich vom Nordpol her erstreckte, schimmerte in Blattgold über der Empore.
    Während Omar Jussuf über die langen Gänge blickte, die zum futuristischen Podium führten, kam ihm Ismail wie verwandelt vor. Der zarte, verwundbare Beamte war verschwunden, und an seiner Stelle stand da ein Killer, bereit, an so simple Wahrheiten zu glauben, dass es nichts Einfacheres gab, als für sie zu sterben, weil sie auch den Tod zu etwas Einfachem machten. Er gehörte nicht mehr zu Omar Jussufs kleiner Assassinengruppe. Er war zu einem echten Attentäter geworden.
    »Wenn du deinen Plan in die Tat umsetzt, wird Allah hier sterben«, sagte Omar Jussuf. »Wo auch immer er gewohnt haben mag – Mekka, New York –, hier stirbt er.«
    Ismail blickte zu den hinteren Tischreihen in der Versammlungshalle; jede war mit dem Namen der nationalen Delegationen markiert. »Mein Plan?«
    »Er ist selbstmörderisch.«
    »Wie ließe er sich an einem so streng bewachten Ort durchführen?«
    »Ich bin kein Selbstmordattentäter. Ich kann dir keine Tipps geben. Wer weiß, welches Material hier vielleicht hereingeschmuggelt worden ist? Vielleicht habt ihr Geld aus Nisars Drogenverkäufen benutzt, um damit eine Reinigungskraft zu bestechen, die Stück für Stück ein Gewehr eingeschmuggelt hat. Es könnte hier in diesem Raum versteckt sein.«
    »Sie sind ja gar nicht so streng akademisch, wie Sie immer tun.« Ismail strich sich durch den Bart und grinste hämisch. »Vielleicht rekrutiere ich Sie für die iranischen Revolutionsgarden, Ustas .«
    »Mir gefällt deren Pensionsplan nicht. Ich interessiere mich nicht fürs Paradies.«
    »Wenn Sie sich nicht vorsehen, könnte man versuchen, Sie schon sehr bald in Pension zu schicken.« Ismail schlenderte hinter den leeren Delegationstischen entlang.
    »Wie du es bereits getan hast. Du hast in Coney Island auf mich geschossen. Oder wolltest du Nisar treffen, weil er aus eurem Aktionsplan ausgeschieden ist?«
    » Ustas , ich bin Diplomat.«
    »Sagen wir mal, du hättest versucht, mich umzubringen, und das hätte ich dir verziehen. Wie findest du das? Weil ich dir nämlich verzeihe, mein Junge.«
    Ismails Mundwinkel verzogen sich zu einem unsicheren Grinsen. Omar Jussuf packte ihn an der Schulter. »Ich verzeihe dir, hast du verstanden?«, sagte er. Ismail zwinkerte und sah weg.
    »Zur Zeit der Assassinen, Ustas , wurden ihre Selbstmordattentate missbilligt. Auf diese Weise zu sterben, galt als unnatürlich.«
    Ismail blickte auf die Namen der kleinen, unbedeutenden Länder, die in alphabetischer Reihenfolge auf den Delegiertentischen standen.
    »Heutzutage werden in der moslemischen Welt Selbstmordattentate akzeptiert. Gegen die Macht des Westens haben wir keine andere Waffe. Sie sind nicht mehr auf dem Laufenden. Ihr Denken gehört einer anderen Epoche an, einer anderen Welt.«
    »Ismail, ich mag nicht glauben, dass meine und deine Welt sich so sehr voneinander unterscheiden, wie du es meinst«, sagte Omar Jussuf.
    Sie kamen zum letzten Tisch in der hintersten Reihe. Ismail hob das Kinn und zeigte auf das Wort Palästina . Die weißen Buchstaben klebten auf einem schwarzen, fünfundzwanzig Zentimeter langen Rechteck aus Plastik.
    »Sehen Sie unseren Platz in Ihrer Welt? Ganz hinten und ganz am Rand.« Ismail beschrieb mit ausgestreckten Armen einen Kreis. »Alle sind wichtiger als wir. Es gibt Tische für einhundertzweiundneunzig Mitgliedsstaaten, die weiter vorn stehen als unserer. Wen können wir von hier aus sehen? Oh, sehen Sie, da ist Kiribati. Und Kirgisien. Da drüben, Vanuatu und Sambia. Wahre Supermächte auf der Weltbühne. Aber hier ganz am Ende finden wir Palästina, das lediglich

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