Der Attentaeter von Brooklyn
Präsident klein. Chamis Sejdan stand neben der Bühne und hielt den Saal im Blick. Die meisten Delegierten saßen auf ihren Plätzen, aber im Saal herrschte mehr Bewegung, als Omar Jussuf erwartet hatte. Das sind diejenigen, die auf Englisch zuhören, dachte er. Mit so einer Rede haben sie nicht gerechnet .
Die israelischen Delegierten standen auf und riefen etwas. Die Amerikaner erhoben sich ebenfalls, zögerten aber, bevor sie hinausgingen.
Der Präsident machte eine Pause, rückte seine Brille zurecht und sah den Amerikanern hinterher. Ismail wartete mit seiner infamen Übersetzung und hielt das Mikrofon wieder zu. »Das wird für Schlagzeilen sorgen, meinen Sie nicht?«
»Nimm die Pistole runter, Ismail. Hör auf.«
»Die Rede ist noch nicht vorbei, Ustas .«
Der Präsident holperte durch den nächsten Satz. Ismail nutzte die Gelegenheit, um die »Unterstützung des Islamischen Dschihad in Beirut und Teheran« einzubauen. Jetzt herrschte Chaos im Saal. Wütend und verwirrt starrten Delegierte zu den Dolmetscherkabinen hinauf. Chamis Sejdan stieg aufs Podium und führte den Präsidenten zu einer Tür neben der Bühne. Im Weggehen ließ der Präsident sein Redemanuskript fallen. Die Seiten verteilten sich auf dem Boden. Der schwitzende junge Assistent sammelte so viele wie möglich wieder ein, bevor er seinem Chef folgte.
Ismail zielte mit der Pistole auf die Zimmerdecke und blies über die Trommel, als ob er nach einem Treffer Schießpulver wegpusten würde.
Omar Jussuf sah, wie der Präsident, geschützt vom Körper seines Freundes, des Polizeichefs, verschwand. »Du willst doch nicht etwa auf ihn schießen?«
»Sie klingen so enttäuscht, Ustas .« Ismail hob den Dolmetscher auf den freien Sitz und fuhr ihm durchs Haar. »Danke, dass du brav warst, Kollege.«
Der Dolmetscher blickte flehentlich auf die Waffe in Ismails Hand. Sein Mund stand offen, und er stieß ein klägliches Stöhnen aus.
»Nisar hat uns vor einem Attentat des Islamischen Dschihad gewarnt«, sagte Omar Jussuf. »Wo ist er? Wann will er den Präsidenten erwischen?«
»Nisar hatte recht. Aber ich bin derjenige.«
»Und was sollte das dann hier?«
Ismail beobachtete die Delegierten, die unten im Saal in aufgeregten Gruppen zusammenstanden. »In Ihrer Klasse war ich nie der beste Schüler, Ustas . Trotzdem habe ich Ihnen immer zugehört. Nisar war Ihr Liebling. Aber können Sie das Gleiche von ihm behaupten?«
Omar Jussuf bewegte sein verletztes Fußgelenk und hielt sich mit der Hand am Fenster fest. »Du hast dich entschieden, nicht zu töten?«
Ismail ließ den Sicherungsbolzen der Pistole klicken und sog die Unterlippe unter die Zähne. »Ich wollte etwas tun, damit Sie stolz auf mich sein können.«
Omar Jussuf war den Tränen nah. Vielleicht war mein Unterricht doch nicht so sinnlos, wie ich befürchtet habe , dachte er. Doch er war immer noch ein Lehrer und unterdrückte seine Gefühle mit einem rauen Räuspern. »Glaubst du, dass ich auf das stolz bin, was du ins Mikrofon gesagt hast?«
Ismails Augen glänzten. »Stolz, dass ich beschlossen habe, den Präsidenten nicht zu ermorden. Stolz, dass ich stattdessen friedlich protestiert habe.«
»Als du versucht hast, mich mit dem Jeep zu überfahren, warst du nicht so friedlich.«
Ismail leckte sich die Lippen. » Ustas, ich habe auf Leute vertraut, die aus meiner Schwäche Kapital geschlagen haben. Sie haben mich zu einer Maschine gemacht. Trotzdem fühlte ich mich entsetzlich, als ich Sie verfolgt und bedroht habe. Aber als Sie dann mit mir geredet haben, war es so, als sei ich wieder menschlich geworden.«
Omar Jussuf tätschelte Ismail den Hals und legte dem Jungen die Hand auf die Brust.
»Ich habe Sie in Alas Wohnung gesehen – nur ganz flüchtig«, sagte Ismail. »Sie sahen furchtbar aus. Um Sie herum war überall Blut. Ich wollte Sie trösten, aber ich wusste, dass ich verschwinden musste. Sie müssen mich gehört haben, weil sie zur Tür gingen. Ich dachte, dass Sie mich der Polizei gegenüber identifizieren könnten, und es tut mir sehr leid, dass ich deshalb in meiner Angst versucht habe, Sie aus dem Weg zu räumen.«
»Ich verstehe.«
»Als Sie gesagt haben, dass Sie mir verzeihen, spürte ich, wie der ganze Hass in mir zusammenbrach. Ich konnte nur noch an meine Schulzeit und an den Glauben denken, den Sie mir damals vermittelt haben. Ich bin Ihrem Weg aber nicht gefolgt, sondern ich habe versucht, Sie zu zerstören, als ob das meinen Fehler hätte
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