Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Aufgang Des Abendlandes

Titel: Der Aufgang Des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
Vom Netzwerk:

Schlichtheit der Bergpredigt atmet tiefsinnige Größe und die Parabel (oder wirklicher Vorgang) von der
Ehebrecherin scheint uns das Erhabenste, was je geschrieben oder gar wirklich gesprochen. Sind übrigens Joh. Episteln
auch unecht, die geistig so sehr dem Ev. Joh. und gewissen Sätzen der Apokalypse ähneln? Spricht in allen
Evangelien literarische Meisterschaft der Darstellung für Selbsterlebtheit des Vorgangs oder gegen die
Wahrscheinlichkeit, daß einfache Fischer so geschrieben haben? Doch heißt's ja wiederholt: »als die
Jünger diese Rede hörten, entsetzten sie sich«, und bezüglich des ältesten Ur-Evang. Matthäi
weiß man gar nicht, wie sein Originaltext lautete. Das gehört in ein späteres Kapitel. An begeisterter
Verehrung für diesen ganz »modernen« Ethiker stehen wir hinter niemand zurück, belächeln mitleidig
jene kleinlichen Lästermäuler, die hier von Sklavenmoral schwatzen und ihren sittlichen Makel
»Antichrist« als Ehrenschild aushängen. Doch ein Reformchristentum, das die Lehre fallen und nur die
schattenhafte Persönlichkeit gelten läßt, zeigt nur, auf wie schwachen Füßen solche Staatsreligion
steht. Denn Jesu heiter liebenswürdiges Heldentum, das ihm die Herzen alter Germanen gewann (»Heliand«) und,
jeder süßlich säuselnden-Sentimentalität fremd, grimmig über Heuchler und Wucherer die Geisel
schwang, mag man als herrlichstes Vorbnd von Mensch zu Mensch anerkennen, doch für abstrakte All- und Gotterkenntnis
gewinnen wir philosophisch scheinbar daraus nichts. Giordano Brunos Eroici Furori und sein glorreicher Märtyrertod
erhoben nicht den Anspruch darauf, eine Religion zu gründen, wohl aber erweckte seine allschauende Lehre religiöse
Empfindung. Ob der alte Aufklärer Feuerbach oder der theologische Diplomatikus Harnack mit gleichem Titel das
»Wesen des Christentums« beschreiben, jede rationalistische Halbheit mit schielendem Hinblick auf die gestrenge
»Wissenschaft« (historische Unsicherheit oder Haltlosigkeit der »Offenbarung«) schiebt sehr zu
Unrecht die Person Christi in den Vordergrund. Sie verfällt so in den gleichen Irrgang wie die verpönte Orthodoxie,
für die ja im Grunde die Bergpredigt nur unbequeme Zugabe zu dem Götzendienst einer Gottperson. Es ist
lächerliche Übertreibung, daß kein Erdenleben so rein und so heldenhaft gewesen sei, wie das uns
halbsagenhaft überlieferte des Jehoschua von Nazareth. Unzählige indische Chela und manche christlichen Mystiker
wie Franz v. Assisi lebten ebenso sündenfrei und an Helden, die sich für eine Idee kreuzigen ließen, fehlt es
keiner Zeit. Wenn also Christi Kreuzigung eine besondere Weihe haben soll, dann darf man dies nur davon herleiten, daß
er wie kein anderer »Gott geschaut« und die höchste Weisheit erreicht habe. Und ohne damit sein Dasein
anzweifeln zu wollen, möchten wir doch andeuten, daß die Entstehung der »echten« Evangelien durch
Schriftsetzung ungebildeter Jünger uns ihren stellenweise vollendeten Stil geradeso verdächtig macht wie das Ev.
Joh., für dessen wirkliche Unechtheit wir geradesowenig positiven Beweis anerkennen wie für die Echtheit der
andern. Einen gewissen sagenhaften Ton wird man kaum ableugnen. Alle Religion auf eine Persönlichkeit stellen, von der
wir weniger wissen als von irgendeiner andern der Weltgeschichte!
    Obendrein erklärt »des Menschen Sohn«, hiermit jede Gottessohnschaft in kirchlichem Götzensinne von
sich abstreifend, ausdrücklich: »was nennst du mich gut, niemand ist gut als der einzige Gott« und
»nicht mir steht zu, Sitze im Himmel zu verleihen«. Die Redensart, daß Christi auferstandene
Persönlichkeit ewig fortlebe in der christlichen Kultur und sein Erscheinen die Welt umgewandelt habe, ist wieder nur
Berufung auf Pseudo-Historisches. Seine Lehre hat leider die Menschheit so umgewandelt, daß diese sich selbst den
Weltkrieg als höchsten Greuel der Geschichte bescherte, und sonstiger Einfluß des Christentums führte nur zur
Umwandlung des altrömischen Militarismus in gesetzloseres roheres Feudalsystem, der harmlosen Auguren in verschmitzte
Pfaffen. Was sonst an historischen Werten entstand, geschah durch Rassen- und Wirtschaftsbewegungen. Hätte die
Christenlehre etwas damit gemein gehabt, so war die Transformation gewiß nicht größer als durch Alexanders,
Roms, Napoleons Weltreiche. Wenn England mit der Bibel in der Hand die Erde brandschatzte, so kommt dieser fromme Betrug
gewiß nicht dem

Weitere Kostenlose Bücher