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Der Aufgang Des Abendlandes

Titel: Der Aufgang Des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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von unterseeischer Verborgenheit wäre
möglich, ein »ständiger« nicht, sonst würde ein nüchternes Normalbewußsein nicht
Ahnungen, Warnungen, Eingebungen in wachem Zustande ausschalten. Mit dem vagen »etwas anderes« wissen wir nichts
anzufangen. Deckt es sich mit Kants »transzendentalem Gegenstand« und könnten wir es in anderer Aufmachung
als uns konformen Tiefsinn begrüßen, wo bleibt dann der gewollte Rationalismus? Mit solchem unbekannten X sind wir
in der schönsten Mystik, die sich sogar dazu versteigt: »Der Durchschnittsmensch wie das Genie kann Originalideen
finden, während seine Gedanken mit ganz verschiedenen Gegenständen beschäftigt sind oder während er
schläft«. Lang macht sich über diesen Satz lustig und leugnet mit Recht jede Möglichkeit des
Durchschnittsmenschen, aus seinem Unbewußten Originalgedanken hervorzuholen. Myers unterscheidet vorsichtiger, die
Menschen seien sehr verschieden veranlagt in ihrer Beziehung zum Subliminalen, nur Genies wie Shakespeare und Wellington (!
unpassendstes Beispiel) führen aus, was ihr Unbewußtes ihnen eingibt. Stout verweist nun darauf, das Subliminale
des Genies ändere nichts daran, daß es von zeitlicher Umgebung abhänge. Vielmehr besitzen wir Beispiele
für das Phänomen, daß Inspiration und Genie plötzlich auftauchen ohne jede Verbindung mit
»vorherigem Geistesleben«, wie Stout glaubt. Siehe Jeanne D'Arc, ein völlig ungebildetes Bauernmädel,
das fünf Jahre lang sich den Ermahnungen des geheimen Selbst widersetzte und lieber »an Mutters Seite
nähen« wollte, ein unzweifelhaftes militärisch-politisches Genie, das jeder mechanistischen Erklärung
spottet. Was ferner die wissenschaftlich anerkannten Schlaftraum-Eingebungen betrifft, so mag es für diese (siehe Freuds
Theorie) eine, obschon verwickelte, Verbindung mit dem zeitweilig unterdrückten Bewußtsein geben. Freilich
verwischt solche Erklärung die Grenzen zwischen bewußt und unbewußt derart, daß der Mechanist
unmöglich Freude daran haben kann. Denn daß das bewußte Spektrum des Ich kontinuell im Schlaf fortdauert,
berührt nicht die Tatsache, daß der gewöhnlichste Mensch im Traum die ihm sonst ganz abgehende und nur dem
Genialen eigene Fähigkeit des inneren Schauens gewinnt und Traumvorgänge sich plastisch veranschaulichen. Daß
dabei keineswegs nur aus Erinnerungsvorrat geschöpft wird, sondern erwiesenermaßen auch bestimmte und sichere
Vorahnungen genaue Form annehmen, macht das Rätsel noch dunkler. Offenbar bewegt sich die Plastik der Träume auf
gleicher Ebene wie diejenige spiritistischer oder telepathischer Erscheinungen. Doch sei dem wie ihm wolle, und mögen
auch hypnotische Kuren sich einigermaßen erklären lassen – wobei aber stets der banausische Wald- und
Wiesenmaterialismus zu kurz kommt–, so versagt jede Erklärung für Fernhypnose durch Telepathie, Clairvoyence
unter Hypnose, überhaupt alle Erscheinungen der Telepathie. Versuche wie Lehmanns »Aberglauben und
Zauberei«, derlei wegzudisputieren, endeten in Gelächter, wie der Antispiritist Lombroso in überzeugten
Spiritismus. Von Phänomenen wie wirklichen spiritistischen Manifestationen, Chiromantie, Kristallbeschauen,
Wünschelruten, Tischklopfen, Kartenlegen – sofern nicht leicht erkennbarer Schwindel und Taschenspielerei
vorliegen – läßt sich nur urteilen wie über Stolz' »Geschichte des Hypnotismus«: die
versuchte rationalistische Deutung (oft ganz versagend wie bei Immunität und lebendig Begraben der Fakire) ist viel
abstruser und unwahrscheinlicher als die einfach hingenommene Tatsache. Ebenso stehen wir beim uns bekanntgewordenen Bild des
Blavatzkyschen »Master« (Mahatma) vor dem Dilemma: Entweder ist es wirklich im Astrallicht photographiert oder es
stammt von einem Genie größer als Michelangelo, das ein wahres überwältigendes Abbild eines Mahatma und
hiermit den indirekten Beweis für dessen Möglichkeit schuf. Was von beiden ist das Einfachere und
Wahrscheinlichere?! Denn wer kann an ein so unbekanntes Genie glauben, das sonst keinerlei Spuren hinterließ!
    Das Ungeheuerlichste, weit unheimlicher als Prophetie oder Gedankenlesung und -Übertragung, enthüllt sich beim
scheinbar Unmöglichsten, beim Kartenlegen, sobald eine Lenormant es in die Hand nimmt. Denn nicht das Lesen der Karten
ist hier das Unerklärliche, sondern daß die Karten wirklich so liegen, wie die Deuterin sie liest, weshalb nur
solche dies Experiment vornehmen

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