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Der Aufgang Des Abendlandes

Titel: Der Aufgang Des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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belächeln, gab nur Ideen, wie Schiller richtig erkannte, brachte aber
damit mehr Licht in gewisse Erscheinungen als sämtliche Induktion. Experimentell fachliche Naturforschung schwächt
den Blick für die Natur, man verlernt sie im großen anzuschauen, wenn man sich in Einzelheiten vergräbt.
Goethes eigene Studien bezeichnen nur Abnutzung seiner höheren intuitiven Seelenmacht, doch obwohl er zeitweilig
erblindete wie Eaust, strahlte doch durch alle Nebel der Wissenschaft sein inneres Eicht. Das Dämonische im
Körperlichen und Unkörperlichen in Wechselbeziehung zum Menschen erschloß sich ihm als unmittelbare
Naturoffenbarung, die eine moralische Weltordnung zu durchkreuzen scheine. Er spricht von dämonischen Menschen, von
denen eine Gewalt über alle Geschöpfe ausgeht ja sogar über die Elemente »und wer kann sagen, wie weit
sich solche Wirkung erstrecken wird, alle vereinten sittlichen Kräfte vermögen nichts wider sie«. Nichts?
Stehen sie nicht in Geheimverhältnis zum Unsichtbaren, das alles vermag, auch, sobald man ihn nicht mehr braucht,
Napoleon zerbricht? Ja, dieser Dämonische erkannte tiefer als Goethe: »Bis meine Mission erfüllt, vermag man
nichts wider mich, dann aber kann ein Atom mich fällen.« Goethe anerkennt auch telepathische »Magie«
und mahnt an den Spruch: »Niemand ist gegen Gott als Gott selbst.« Doch wie reimt sich solche von
Dunkelmännern als belanglos verschriene Mystik zur praktischen Weltweisheit eines utopischen Idealstaats im 2. Teil von
Meister und Faust? Selbst dieser hoheitsvolle Genius, in dessen Jugend so sichtbar das Dämonische waltete, erkrankte an
jener rationalistischen Haltung, die zu soziologischer Gemeinplatzschwärmerei den Eingang sucht. Im Völkerleben
regieren nur vernunftlose Leidenschaft und dämonische Persönlichkeit, Dämonie überwindet aber nie das
Nemesismaß des Ausgleichs, ringt nicht als blinde Naturgewalt, sondern auserwähltes Rüstzeug der Weltethik.
Dämonie und Ethik werden im Wörterbuch des Rationalismus ausgestrichen, der alles abschafft, was im Reich
superkluger Vernunft nicht Platz hat, doch unverwüstliche Wirklichkeit des Unsichtbaren ist das Blut, das Homers
Unterweltschatten trinken, um lieben zu kosten.
    Fichte meint, daß die Dinge bloß als Erscheinungen vorgestellt, doch als Dinge an sich gefühlt werden,
ohne Gefühl aber keine Vorstellung möglich sei. Gegen Kant führte Trendelenburg das Prinzip der Bewegung als
einzige Wesenheit ein, Bewegung erzeugt aber notwendig Kausalität und so sind auch Zeit und Raum in unserm Denken ein
Auseinander getrennter Begriffe, wie Herbart richtig erkennt, deshalb sind sie Bewegungsakte, nicht Vorstellungen, sondern
Kausalgefühle. Auch geistiges Nationalleben besteht aus Kausalgefühlen. Aus naturwissenschaftlichem Milieu konnte
deutsche Literatur nichts anderes nachempfinden als Rülpsen einer Fallstaffkompagnie, die mit flatternden Lumpenfahnen
nach Coventry-Köpenick marschierte, obschon nur entwertetes Papiergeld in der Kasse war. Wenn die
»Psychoanalyse« ihre Patienten auffordert, auf »die innere Stimme« zu hören, so wäre dann
ihre »Deutung« der Sinneszusammenhänge unnötig, denn der Patient könnte
»Selbstfindung« schon selber besorgen. Doch keine Methode wird ihn zum Hören der innern Stimme bringen, wenn
diese von Jugend an durch Verstandesdressur erstickt würde. Von innerer Wahrnehmung wissen wir so wenig wie von
äußerer.
     

 
3
    Betrüge deinen Nächsten wie dich selbst! scheint die sittliche Forderung, die allein einkassiert wird. Spinoza
betrügt sich selbst wie die andern, die er zu abstrakter Ethik bekehren will. Er verneint nicht an sich ein Jenseits,
doch unser Wissen sei vom lieben und nicht vom Tode und, wo Wissen aufhöre, ende auch Denken. Das klingt wie Buddhas
Verbot, mit endlichen Vorstellungen über das Unendliche nachzusinnen, ist aber nicht das Nämliche. Zunächst
ist wieder nur Voraussetzung, daß wir vom Leben etwas wissen und vom Dasein nach dem Tode nichts. Nähme man
Aussagen der »Geister« als Tatsachen, so wüßten wir vom Jenseits eigentlich mehr als vom Diesseits,
von welchem wir nur physisch sichtbare Vorgänge sehr unvollkommen kennen. Auch ist bemerkenswert, daß erst
modernster Materialismus von »Jenseitswahn« plapperte und wegen Körperzerfall Nichtexistenz lehrt.
»Heiden« jeder Art glaubten entweder fest an Fortdauer oder wenigstens wie die Antike an Schattenhades, was sich
in mancher

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