Der Aufgang Des Abendlandes
betitelt, ebensowenig, auch nicht Vedanta und Buddhismus, wenn man sie einseitig betrachtet, eher Jesus
und Johannes, wenn man sie mystisch zwischen den Zeilen liest. Idealismus, Erkenntnis, Erleuchtung sind undenkbar ohne
Kausalursachen, ihre Phänomene verlangen endlose Determinanten vor der Geburt des Ich, latente Immanenz von
Immateriellem. Aus Präexistenz und Reinkarnierung folgt logisch die Vorbestimmung in allem Kausalen und die
Unsterblichkeit alles Psychischen. Hieraus wieder die unbedingte Planmäßigkeit, hiermit die moralische
Weltordnung.
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Irenäus, Hippolyt, Tertulian verunstalteten fälschend die griechische Gnostik eines Basilides, Valentin usw. in
den drei ersten christlichen Jahrhunderten, wie Harnack kräftig betont, und vertilgten möglichst die ketzerischen
Werke, von denen sich nur Weniges in koptischer Übersetzung erhielt. Origines, der viel Gnostik in sich aufnahm, wurde
noch 399 n.Chr. als Ketzer verurteilt. Diese Erkenntnislehre behandelt Christus als Sonnengeist und kosmisches Ereignis.
Erster Grund des Seins sei der Geist, zweites Wesen das Chaos, drittes die Seele, die aus beiden ihr Sein empfing. Die
Kosmogenie entwickelt sich aus geistigen Urgründen des »Weltvaters«, das Sichtbare ruckweise aus
»Äonen«, dreißig Stufen führen empor zu Gottsohn Christus, über welchem neben dem Vater noch
eine andere Unnennbarkeit thront »die Stille, das große Schweigen«. Solchen Dualismus im letzten
zureichenden Grund verwerfend, verstehen wir dagegen, daß die Gnostiker einen Demiurgos als Schöpfer des
Sichtbaren im Gegensatz zum Urvater annahmen und dies böse Wesen als den Judengott Jahve verabscheuten. Wenn Steiner die
Geringschätzung des Alten Testaments ablehnt, so sehen seine Gegner wohl irrig ein Symptom seiner (von ihm
abgeleugneten) jüdischen Herkunft. Es ist indessen sinnlos, wenn er statt dessen »luziferisch-arimanische
Wesen« als Herrscher der Sinnenwelt proklamiert. Dadurch wird wieder der Teufel, das heißt Dualismus ins Allbild
hineinpraktiziert. Ob Elementar-Elohim das Sichtbare schufen, kommt aufs gleiche hinaus, da sie »in höherem
Auftrag« göttlicher Notwendigkeit handelten. Wozu ihren guten Leumund gegen den Vorwurf verteidigen, daß sie
Urheber der bösen Materie seien, da deren Bosheit keineswegs gewiß ist und wir nur Notwendigkeit anerkennen.
Kant entzog einer rationalistisch gestimmten Metaphysik den Boden, »der gelehrte Pöbel« wisse nichts,
rede nur, seine Beweisführung ist aber oft sonderbar. Laut Aristoteles haben alle Wachenden gemeinsame, jeder
Träumende seine eigene Welt, Kant folgert: »Vermeinen verschiedene Menschen eine verschiedene Welt, glaubt einer
dies und der andere das, so läßt sich vermuten, daß sie träumen?« Gewiß, es gibt keine
gemeinsame Welt, das führt auf die Fährte der Individualitätstheorie, doch sein Verneinen
allgemeingültiger Vernunft- und Glaubenssätze überwertet noch viel zu viel die Erfahrung. Die radikale
Folgerung ist vielmehr, daß Traumwelt relativ richtiger, da sie sich aufs Individuelle stützt, Wachwelt nur auf
Erfahrungsschein, der äußerlich Gemeinsames vortäuscht. Alle normalen Augen sehen das gleiche Meer; was aber
jeder einzelne bei diesem Anblick fühlt, ist unendlich verschieden, Kant meint mit »verschiedenen Menschen«
Unterschiede des Urteilens, nicht aller Psychen intellektuell und ethisch überhaupt, was sein schnurriges allgemeines
Sittengesetz ja auch übersieht. Metaphysische Systematik träumt minder als Vernunftillusion, das Unbewußte
minder als das im Sichtbaren lebende Bewußte. Obschon Kant den Rationalisten Aristoteles verbessern will, bewegt er
sich noch zu beengt. Der Praktiker Napoleon beseufzte das Leben als »flüchtigen Traum«, diese Aussage
genialen Instinkts ist das Wahrgefühl des Unbewußten, daß Wachwelt ein Traum der Sinne. Kant polemisiert
ferner gegen »Eitelkeit der Wissenschaft«, Vernunft als Beweggrund der Ethik auszugeben, Erwartung eines Jenseits
gründe sich auf Empfindung gutgearteter Seelen, nicht aber ihr Wohlverhalten auf Jenseitshoffnung. Da vergißt er
wieder die absolute Ungleichheit der Seelen, wonach Leugnung von Gott und Jenseits dem einen so angemessen wie Glaube dem
andern. Die jenseitige Idee gründet sich nicht auf bloße Empfindung, die bei Denkenden oder Denkunfähigen
subjektiv verschieden sein muß, sondern auf Notwendigkeit logischen Denkens.
Goethe, den exakte Naturforscher heute vornehm
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