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Der Aufgang Des Abendlandes

Titel: Der Aufgang Des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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geführt wird. In Geringachtung des Tieres, obschon der Inder alles
Lebende als gleichberechtigt ehren soll, verrät die neuere Yogilehre eine schiefe Neigung zur Vergöttlichung des
Menschen und seiner Zukunft, was dem Lehrsatz widerspricht: »Leben ist nur eins, Leben der Einheit mit dem Willen des
Absoluten.« Wie kann innerhalb solches Monismus erst im Menschen ein Bewußtsein ansetzen, erst in ihm Geist
beginnen, Seelisches nur im Individuellen! So bietet auch diese Yogilehre ein gut Stück Anthroposophie, wogegen Buddha
mit seiner Zersetzung des Ichs Front machte. Der Mensch als einziger bewußter Geisturheber ist also Steiners Geheimnis.
Auf die ausweichende Floskel, daß der irgendwo in der Allkraft verborgene Geist in sonstiger Natur zurücktrete und
auf okkultem Wege plötzlich im Menschen bewußt werde, lassen wir uns nicht ein. Wäre der Mensch ein
Evolutionsprodukt der Natur, so ist ausgeschlossen, daß nicht genau das gleiche, was bei ihm als Geist auftritt, schon
in allen Stufen des Naturreichs schwächer oder stärker enthalten sei. Worin besteht sein besonderer Unterschied vom
Tier, das mit seinen feiner entwickelten Sinnen zweifellos über telepathische Kräfte verfügt? Jedes Wildtier
weiß, ob ein Jäger ihm droht auf weiteste Entfernung, was nur unvollkommen durch »Witterung«
erklärt wird. Das Pferd scheut oft nervös, es gibt zahlreiche Beispiele, wo das Scheuen einem Schauen entsprang, d.
h. Unsichtbares gesehen wurde. Angeblicher Dämmerzustand tierischen Bewußtseins ist eine Fiktion menschlichen
Hochmuts, wie Descartes dreist die Tiere für Automaten ausgab, mit dem Instinkt als Notbehelf wird immer noch Unfug
getrieben. Weil man die völlig mathematische Berechnung im Zellenbau des Bienenstaats oder die fabelhafte Organisierung
des Ameisenstaats nicht als klare Vernunftakte bewundern will, schob man die Phrase Erbweisheit vor, die selber nur auf
breiter psychischer Grundlage einen Sinn hätte. Forels Bienen- und viele Ameisenexperimente zerstören gänzlich
diese Fiktion, das weise Insekt entscheidet sich von Fall zu Fall, überwindet jede ihm gestellte Hemmung in erstaunlich
kurzer Frist, vermeidet Täuschung bei schlau ausgesonnenen Fallen. Wenn Mystiker wie Böhme und Paracelsus
Mischungsübergänge in der Materie finden, so geschieht es im Sinne Pauli: »Mit uns sehnet sich alle
Kreatur.« Laut Steiner würden sie den Darwinismus begrüßen, das läuft ihrem wahren Meinen
schnurstracks zuwider, Paracelsus sondert das »Vieh« im Menschen vom »andern Vater, und der ist
himmlisch«. Silesius denkt allerdings transzendental monistisch (vergl. sein Rosengleichnis), sieht aber alles im
Spiegel des Unsichtbaren.
    Laut Kirchhoff und Bunsen enthalten Erde und Sonne gleiche Bestandteile: so Tier- und Menschengesellschaft gegenseitiges
Abbild. Unsre Muhme Schlange züngelt in mancher Salondame, der Tiger begrüßt das Handwerk in Iwan dem
Schrecklichen und andern hochgestellten Fachkollegen, Flöhe bewegen sich in höchsten Kreisen als Blutsauger, deren
kavaliermäßiges Springen Schiebergestank verbreitet, non olet, chacun a son hautgout, Madame la Nature! Emersons
»kaufmännisches Genie« (!) lerne beim Hamster, Industrie bei Seidenwurm und Spinne, Fischzüge sind
relativ gleichwertig den Kreuzzügen. Luft- und Waldperipathetiker verständigen sich ohne Alphabet und Einmaleins,
wissen sogar, daß zweimal zwei manchmal fünf ist! Überall feinste Differenzierung psychischer Anreize.
[Fußnote]Locke erzählt vom dämonischem brasilianischen Papagei, der wie ein Mensch Gespräche
führte, so daß Anwesende fortan Papageien für Dämonen hielten! Sein maßvoller Rationalismus
bescheidet sich im Urteil, doch läßt sich's nur mit Reinkarnierung außer der Ordnung erklären, wo
bleibt aber dann Geistlosigkeit der Tiere? »Sprache der Tiere« 1925. »Spectator« kennt dies Beispiel
nicht, wohl aber schon Sprechlaute der Fische.
    Steiners »Philosophie der Freiheit« nennt Denken übersubjektiv, kosmisch jenseits von Subjekt und Objekt.
Also auch Ichsubjekt nur von Denkensgnaden? Warum ist dann Denken so wenigen gegeben! Also ist es umgekehrt von nur
Subjektsgnaden, nämlich Emanation besonders geeigneter Subjekte. Unabhängig von Sinnesorganen? Ist der Hirnapparat
nicht zur Versinnlichung gerade dem Denken nötig? Und sittliche Gebote sind allgemeines Menschenwerk? Was sind dann die
unsittlichen Gebote der Verbrechernatur? Leben Kants apriorische Imperative

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