Der Aufgang Des Abendlandes
offenbar wurden, die sich überhaupt nicht akademisch beweisen lassen. Allerdings sind wir nicht
abgeneigt, in einem besonderen Fall, dem einzigen konkret-physikalischen seiner Abstrusitäten, ihm recht zu geben:
seiner sonderbaren Wärmetheorie, wonach Wärme einmal in einem Urzustand nicht Ausfluß von Materiereibung,
sondern ein für sich bestehendes Element gewesen sei, eher Ursprung- als Folgeerscheinung der Materie. Nur beanstanden
wir, daß Wärme losgelöst von Licht, Elektrizität und anderen Faktoren, die wir nicht kennen, als Agens
für sich auftreten könne. Wärme kann immer nur eine Form der Allbewegung sein, denkerisch müßte man
daher nur sagen, daß es einmal einen Zustand gab, wo nur Bewegung ohne feste Materie regierte. Das ist sehr
möglich, damit würde aber die wissenschaftliche Wärmetheorie zunichte, für die es keine Wärme ohne
Materie geben kann, ein neuer Riß durch übliche Materieauffassung.
Im übrigen schöpft Steiner, so absonderlich sein Neues, auch oft aus Altem, denn seine famose Gruppenseele der
Tiere findet sich schon in der Yogilehre, siehe »Gnani Yoga von Yogi Rama Chakara« (London 1917). Wenn Steiner
erklärt, des Hundes sehnsüchtige Erinnerung an seinen Herrn und sein Wiedererkennen seien nichts individuell
Geistiges, das Tier könne sich nicht erinnern, so gehört wirklich seltene Naivität zu Behauptungen, über
die jeder Tierkenner aus vollem Halse lacht, doch der Yogi redet gleichen Unsinn: Ein Pferd im Freien unter Regen und Sturm
möchte instinktiv zum warmen Stall zurück, könne aber über seine Lage nicht nachdenken. Ihn entschuldigt
höchstens die geringe Pferdekenntnis des Inders, im selben Atem erzählt er aber, die Krähe könne
zählen usw., ohne die viel erstaunlichere Intelligenz des Papageis zu erwähnen, und anerkennt die fast
übermenschliche Weisheit der Ameise und Biene. Wie merkwürdig, daß alle Evolutionisten, zu denen auch Rama
Chakara sich zählt, nicht den Widerspruch erkennen, der in angeblicher Geistlosigkeit höherer Säugetiere, auch
des Affen, und den Geistbeweisen untergeordneter Insekten, auch der Spinne, sich aufdrängt! Dabei wird aber der Ameise
trotzdem das Ichbewußtsein abgesprochen, weil menschliche Anmaßung das nämliche Ich, das man psychologisch
negiert, als besondere Errungenschaft ausgibt und sich daher schämt, es mit den Tieren zu teilen. Darwin freilich sagt
ausdrücklich: das Ameisenhirn (das heißt das Nervenklümpchen, das hier als Hirn dient) sei noch wunderbarer
als das Menschenhirn. Da das Hirn der Sitz des Bewußtseins ist, kann also das Ich der Ameise nicht abgesprochen werden.
Genau Gleiches gilt für jedes Lebewesen, sogar das Mineral, sobald man sich dem Yogistandpunkt anschließt, wonach
Geist in jedem Atom herrsche. Geist und Bewußtsein sind nicht zu trennen. Wie ein Yogi an Gruppenseele der
Säugetiere glauben kann, bleibt unverständlich, man frage mal den Einsiedler Gorilla, ob er sich als Gruppenseele
fühlt und nicht vielmehr als bestimmtes Selbst, was nur für sich Funktionen ausübt!
Steiner kann sich nicht wundern, wenn seine Feinde ihm Charlatanerie vorwerfen, wir aber wundern uns über
Auslassungen neuerer Yogi, die wir bedenklich finden. Sie leugnen entrüstet die Möglichkeit, der Mensch könne
je wieder als Tier reinkarniert werden, doch wir verstehen gewisse Wendungen Buddhas und der Bagghavad Ghita kaum anders:
Strafe für tierische Gelüste. Nicht als ob wir selber den indisch-ägyptischen Volksglauben teilten, siehe
früher, doch steckt nicht Uberhebung darin, das Tiersein schlechtweg als Menschenentwürdigung zu betrachten?
Bismarck wünschte als Ameise wiederzukommen, und für dumme, selbstische Durchschnittsmenschen könnte
Wiedergeburt als Araberpferd nur Belohnung sein. Tierbeobachtung beruht meist auf beweisloser Voraussetzung, wie z.+B. der
Überzeugung, das Tier sei glücklicher als der Mensch. Mit so relativem Begriff sollte man nie hantieren, da jeder
nur seinen eigenen Lust- und Unluststand kennt. Hunde, Katzen, Pferde, Papageien, Elefanten, die allein man genügend
beobachten könnte, haben Anfälle von Nervosität, Unruhe, Schwermut aus unerkennbaren Gründen. Das Tier
ist nur in dem Grade glücklicher, als es minder von tausend Attacken rasender Ichsucht geplagt wird, selbst passives
Vegetieren der Wiederkäuer kann nicht als Glück gewertet werden, da die Kuh über den Tod ihres Kälbchens
trauert und weiß, wann sie zur Schlachtbank
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