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Der Aufgang Des Abendlandes

Titel: Der Aufgang Des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Anthroposophie Menschheitsentwicklung
verbürge, nämlich durch Einsicht, daß nur stete Wiedergeburt derselben Menschen einen Fortschritt zulasse.
Zunächst scheint doch ein starkes Stück, die Urweisheit des Menschengeschlechts, schon im ältesten Gesetzbuch
Indiens als etwas bekannt Tatsächliches verwendet, für Steiner als neue Lehre in Anspruch zu nehmen und sich dabei
auf Lessing zu berufen. Da dies öfter geschieht, raten wir jedem, die winzige gelegentliche Äußerung in
Lessings Erziehungsbriefen nachzulesen, als ob so nebensächliche Befürwortung der »Seelenwanderung« ins
Gewicht fiele, da doch Lessing noch sehr viel weniger als Schopenhauer von indischer Lehre etwas wußte. Galliens
Druiden, Germanenpriester, viele Griechen seit Pythagoras machten Wiedergeburt zur Grundlage ihres Unsterblichkeitglaubens,
selbst »Auferstehung des Fleisches« im christlichen Dogma meinte heimlich nicht viel anderes. Bei der seit Urzeit
herrschenden Karmaidee fiel aber niemanden ein, damit eine andere Weltanschauung zu verbinden als Weltanschaulichkeit
ausgleichender Gerechtigkeit, Metempsychose bedingt nichts als Abschleifung, was aber dem Individuum selber weder zum
Bewußtsein noch irdisch zugute kommt, sondern nur seinem transzendentalen Überich. An Menschenfortschritt auf der
Erde kann dabei um so weniger gedacht werden, als indische Adepten häufigen Rückschritt vertierter, im Kama-Rupa
versunkener Menschen feststellen, außerdem lehrt ja die Erfahrung, daß die Masse sich nie verändert hat, die
kleine geistige Oberklasse sich nie vermehrte, in ihren vornehmsten Vertretern gleichmäßig über die
Jahrtausende verstreut. Transzendentalevolution schreitet jenseits der Menschheitsgeschichte. Es heißt Wasser ins Meer
der Unendlichkeit tragen, wenn man nochmals erläutern wollte, daß innerhalb der sichtbaren Materie nur Torheit an
Evolution und Selbsttäuschung an Umwertung der Werte glaubt, da die alten subjektiv den gleichen Wert haben als die
neuen, die nicht mal neu sind. Ein wiedergeborener Buddha, Jesus, Leonardo könnten nie einen Fortschritt in sich
abgeschlossener Persönlichkeit verzeichnen, nur formale Abänderung. Steiners krasses Mißverstehen des
Karmazwecks geht Hand in Hand mit der Verschwommenheit, welche Mittel es ermöglichen sollen. Vollbewußte
Willkür paßt wie die Faust aufs Auge zur Kausalnotwendigkeit des Karma, sein Übernehmen des fremden
Inventarstücks aus fremder Garderobe ist freilich bewußte Willkür.
    Obendrein wendet er sich an die Individialität jedes Menschen, in jedem schlummere das Göttliche, eben weil er
Mensch ist, was gewiß den vielen Schulzes seiner Gemeinde schmeichelt. Welcher Unterschied waltet dann zwischen ihnen
und dem Homo Heidelbergensis? Wenn ein superkluger Kritiker den Frühvölkern »wahres Ich« im
neuzeitlichen Sinne abspricht, so raten wir ihm, seine biologischen Kenntnisse zu erweitern, das Unbewußte dürfte
aber dann sicher bei geringerem Ich-Bewußtsein des Urmenschen stärker gewesen sein als beim Modernen. Jesu Wort
»So ihr nicht werdet wie die Kinder« muß man verdeutlichen: So ihr nicht werdet wie die Urmenschen. Das
würde aber Steiners Fortschrittsphrasen zuwiderlaufen. Hayer spricht von Bewußtseinswandlung in gewissen
Zeitaltern, das sind lediglich Milieustände. Ein griechischer Sophist kannte nicht Telephon und Phonograph, doch seine
dialektische Geschwätzigkeit glich durchaus derjenigen alles modernen Differenzierten, gleiches Seelensymptom bleibt
unberührt bei verwandter Neugeburt, es gibt keine einschneidenden Bruchpunkte von Bewußtseinswandlung. Geburt des
»bildlichen Gedankens« bei den Griechen ist Einbildung der Unkenntnis, die Griechen bekannten selbst, daß
sie es den Ägyptern verdanken. Vom bildlichen Denken der Urvölker wissen wir nichts außer durch ihre
prachtvollen Tierfresken, wohl aber von bildlicher Metaphysik der Inder, die auch nicht »geboren«, sondern von
Urzeit überliefert war. Die Renaissance verwandelte nicht das Bewußtsein, sondern verknüpfte Antike mit
Christenkunst; was sie lehrte, war durch scholastische Einflüsse vorbereitet.
    Berufung auf Burkhardt hat keinen Sinn, da dieser Renaissancehistoriker das Ereignis für sich betrachtet, ohne zu
seinen Wurzeln niederzusteigen.
    In Steiners Geheimwissenschaft wird sein Wissen so geheim, daß selbst die große Blavatzky davon lernen kann,
wie die Menschheit zuerst auf dem Saturn, dann auf der Sonne, zuletzt im Mond ihr

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