Der Aufgang Des Abendlandes
Wesen trieb! Nachdem er die Vergangenheit
so befriedigend ordnete, prophezeit er: Der Mond wird sich mit der Erde vereinigen, später auch mit der Sonne! Solche
Ungeheuerlichkeiten werden vorgetragen sogar ohne Hinweis auf bestimmte okkulte Quellen, aus denen er schöpfen
könnte, denn die Yogiphilosophie weiß nichts davon, er beruft sich auf Tiefen seiner Unbewußtheit und eigene
Hellgesichte, die man nicht kontrollieren kann. Seine historische Betrachtung treibt Blüten wie: »Im
ägyptisch-chaldäischen Zeitalter war noch nicht vorhanden, was man jetzt als logisches Nachdenken, als
verstandesmäßige Auffassung der Welt kennt.« Die Schöpfer der Cheopspyramide besaßen
natürlich kein logisches Nachdenken, die Chaldäer Astronomen ebensowenig, auch dachten diese Leute so
unverstandesmäßig, daß sie die gediegenste soziale Ordnung hervorbrachten. Daß sich
verstandesmäßiger Materialismus mit gemeinem Aberglauben paaren kann wie bei Syrern und Juden, ist freilich nichts
Neues, die Moderne hat die Götzen nur durch Wissenschaft ersetzt. Doch was hat das mit Ägyptern und Sumerern zu
tun, welch letztere Steiner mit den späteren Chaldäern verwechselt, die er offenbar für Semiten hält! Die
Oberflächlichkeit solchen Urteils vergißt, daß dabei an die hohe Atlantierkultur geglaubt wird, deren
gerettete Nachfahren sich zu den Ägyptern begaben. Hatten die Geheimpriester des Osiriskults auch kein logisches
Nachdenken, hatte Amenhoteps Sonnenverehrung keine Weltauffassung mit Verstandessinn? Griechen und Lateiner wurden immer mehr
entfernt von unmittelbarer Wahrnehmung der geistig seelischen Welt? Das ist bezüglich der Griechen grobe
Mißdeutung, vom orphischen Kult und Delphiorakel bis zu Throphonius-Höhlen und Äskulap-Quellen zieht sich das
Okkulte als roter Faden durch hellenisches Denken, das die geistig seelische Welt sehr unmittelbar anschaute. Auch hatte
Hermeskult die ganze ägyptische Weisheit übernommen. Die Lateiner verloren allerdings Unmittelbarkeit des
Weltanschauens, weil ganz ins Irdische verstrickt, was ihren Untergang herbeiführte. Aber daß sie sich bestrebten,
Zusammenhang mit Übersinnlichem festzuhalten, dafür liefern Virgil, Ovid und selbst Lucrez' verzweifeltes
Aufbäumen genügende Anzeichen auch wissen wir zuwenig vom Fühlen römischer Kreise, um ein summarisches
Urteil zu gestatten. Es ist nicht sicher, ob die den Sumerern vorhergehende Rasse unmittelbarere Fühlung mit dem
Übersinnlichen hatte; war dies aber der Fall, dann muß man rückwirkend folgern, daß dem Menschen immer
mehr diese Fühlung abhanden kam und er sie im höchsten Maße nur im Anfangsstadium besaß. Sein Ahne,
Steiners Saturn-Sonne-Mondbewohner, würde zweifellos ein geringes Selbstbewußtsein gehabt haben, doch sein
Erscheinen auf Erden kann ohne ein solches kaum gedacht werden. War sein Ich-Egoismus geringer, so hatte er
naturgemäß mehr Unbewußtheit, befand sich also im Vergleich zu späteren Perioden im Unschuldparadies,
sein Sündenfall kann eigentlich erst mit schwarzer Magie luciferischer Atlantier begonnen haben. Nun wohl, dann sind
alle beliebten Vorstellungen vom Urmenschen logisch ein Unding, und weder der Schädel des Neanderthalers noch gar des
Aurignaciers erlaubt solche Möglichkeit, wie darf dann aber ein Theosoph von seinem Ständpunkt aus Evolution
lehren! Daß Steiner dem würdigen Haeckel ein Buch widmete, scheint entweder Geisteswirrheit oder raffinierte
Spekulation, sich an den geistigen Erzfeind anzubiedern und die Bonzen der Naturwissenschaft zu kaptivieren, sich bei Kreisen
einzuschmeicheln, die naturgemäß mit Zelotenwut über ihn herfallen müßten. Zweifellos war diese
Berechnung richtig, denn Steiners Annahme der Haeckel-Evolution brachte ihn bei Verlehrten in den Geruch der
Wissenschaftlichkeit. Es war aber bewußte Täuschung, denn Haeckel, mit all seiner Verbohrtheit ein durchaus
gerader Charakter, hätte die Widmung abgelehnt, wenn er wußte, aus welchem Lager sie stammte. Auch die zwei
Vorreden zu der Geheimwissenschaft täuschen durch Bescheidenheitskomplimente vor der orthodoxen Wissenschaft, denn
niemand ahnt danach, welche Zumutung das Buch an gutmütige Lesergläubigkeit stellt. Wenn ein indischer Guru derlei
lehrte, würde man die Möglichkeit offenhalten, daß er vermöge jahrtausendalter Überlieferung dazu
befugt sei, ein beliebiger Dr. Steiner wird uns schwerlich überzeugen, daß ihm vermöge göttlicher
Inspiration Dinge
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