Der Aufgang Des Abendlandes
die Organe, deren sie bedürfen. Hätte der
gewöhnliche Mensch ein Verlangen nach Hohem, so würden die geheimen Ordner des Alls ihm entgegenkommen und ihm den
Blick öffnen. Doch er fühlt nichts davon, kriecht als Wurm im Staube und nährt sich vom ordinärsten
Staube, am liebsten möchte er Goldstaub fressen. Obiges Lamarcksches Gesetz bewährt sich also erst recht beim
Menschen: was er will, bekommt er, technische Nutznießung nüchterner Verstandesbildung. Der geniale Mensch aber
erhält geradeso sein Verlangen, daß ihm geistige Flügel wachsen möchten, er baut sich sein eigenes
Luftschiff im Äther des Unsichtbaren. Nur für diese kleine Auslese, zu allen Zeiten die gleiche, gelten die
Seelenlehren, wir verwahren uns gegen die Fälschung, daß die sonstige Menschheit ein psychisches Vorrecht vor dem
Tier habe, bei ihr erstarrt jede Religion zur Konvention, Egoismus ist die einzige Triebfeder ihres Glaubens und ihres
Unglaubens.
Sophia Göttin der Weisheit kennt keine Anthroposophie, sondern nur Weltseele in allem Lebenden. Die Yogiauffassung,
daß zunächst planmäßiges Hinabsteigen der Materiemanifestierung zu niedersten Formen und dann
Aufsteigen stattfinde, reimt sich, sobald man darin notwendige Absicht kennen will, schlecht zur Weisheit des Absoluten.
Welchen Zweck hätte es, auf solchem Umweg zu evolutionieren? Für das Unsichtbare ist völlig gleichgültig,
welche physische Form das Wesen annimmt, ob es kriecht oder fliegt, auf vier oder zwei Beinen geht. Höhere Psyche sucht
sich von der Materie zu befreien, niedere verknotet sich in ihr. Nichts zwang den Menschen, selbst wenn er durch
möglichenfalls rohe Urform hindurchging, ein Kain und Mammonsknecht zu sein, nur sein angeborener böser Wille. Die
stolzen Arier sollten nur stillschweigen, sie vertrieben die herrliche Urrasse aus Europa und ruhten nicht, bis sie noch den
letzten Überrest dieser begabten Menschen in den Buschmännern zerstörten in albernem Dünkel auf die
weiße Hautfarbe. Wie gesagt täuscht der Ausdruck »negroid« für die europäische Urrasse, denn
nichts als dunkle Haut deutete darauf, ihr Gesichtstyp war bedeutender als der arische. Eine Kuckucksmenschheit, die ihre
erhabenen Kulturpatriarchen austrieb, wagt noch, sich eine Übermenschenzukunft in Aussicht zu stellen! Das Kurze und
Lange unserer Abwehr ist: wir belächeln jede Anthropologie die sich mit Herrlichkeit des Menschen wichtig tut, verachten
jede Anthroposophie, die den Menschen vom übrigen Naturleben loslöst. Das Unbewußte steckt in Tier und
Pflanze, Mineral und Atom so stark und stärker als in Gottlieb Schulze, ihm einen psychischen Vorrang anzulügen ist
unwürdige Schmeichelei. Dann vertragen wir uns noch lieber mit Nietzsches Verbrechermoral, die doch wenigstens von
Verachtung der Vielzuvielen ausgeht und sich nur über das Wesen wahrer Übermenschen täuscht, das immer mit
weißer und nicht schwarzer Magie durchtränkt ist. Wer durch Karmafolge eine höhere Psyche auf diesen Planeten
mitbringt, wird bis ans Ende der Menschheit auf Erden in Verbannung leben und keine Anthroposophie den Durchschnittsmenschen
zu etwas Besserem machen als dem gefährlichsten Selbstling in der ganzen Natur. Deshalb wünscht Sokrates als
Wahrheitssucher den Tod als »große Hoffnung«, »schönes Wagnis«. So konfus seine
Jenseitsgeographie, so klar und sicher wirkt noch heute seine heitre Gewißheit.
In gleiche Halbheit verstrickt sich Steiner, wenn er es weder mit Metaphysik noch Materialismus verderben will.
Häckel, über den er seinen Segen spricht, darf Reservieren des Immateriellen für den »innern«
Menschen nicht dulden und auch mit Kant, gegen den Steiner sich bissig auflehnt, hört jede Verständigung auf.
Verwirft er Seele als bloßen Ichbegriff, so schmuggelt er nur eine andere Ichform ein, nämlich einen
»Geist« der Selbstbeschauung als seelische Tatsächlichkeit. Giebt es keine Zwecksetzung beseelter Natur, wie
kann sie dann den selbsterkennenden Menschen-Gottgeist hervorzaubern! Ist die Materie objektiv wahr, wie will man sich
subjektiv von ihr befreien und wozu nützt das! Gottes Erzeugen im Menschengeist wäre ein müßiges
Augenblicksvergnügen, dieser zeitliche Gott auf Kündigung stirbt ebenso rasch wie er entstand! Die Sprache hat
keine Ausdrücke für den Hohn, den wir diesem unmenschlichen Größenwahn entgegenbringen, aber ist er
nicht ein bezeichnendstes Symptom des Zeitgeists neben Häckel und Nietzsche?
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