Der Aufgang Des Abendlandes
ändert dies nichts daran, daß die
Phantasievorstellung ohne bewußte Wahrnehmung entsteht.
Selbst auf dem Gebiet der Freudschen Traumerotik gibt es Seltsamkeiten, von der sich professorale Einfälle nichts
träumen lassen. Hier läge nahe, daß man von Erlebtem träumt, von zeitlich Nahem oder »altem
Lieben«, das ist aber keineswegs das Gewöhnliche, außer im aktiven Zustand einer bestimmten Leidenschaft
selber. Vielmehr tauchen im Traumland unerklärliche Assoziationen auf mit Personen, für die man nie das kleinste
erotische Fühlen hatte, die man oberflächlich kannte und längst vergaß. Beim Erwachen aus so
unbegreiflichen Vorgängen fühlt man grenzenloses Staunen, grübelt und sucht nach Verknüpfung mit
Vorhergedachtem und findet keine. Höchstens käme in Betracht Fernwirkung von der andern Seite, was der oft
bezeugten Tatsache entspricht, daß ein Sterbender sich einem fernen Freund bemerkbar macht, der plötzlich intensiv
an den Sterbenden denkt, d. h. ihn träumt. Was daraus folgert, läßt sich nur andeuten in den Byrons
»Traum« einleitenden Versen: »zweifach ist unser Leben, denn der Schlaf hat seine eigene Welt, ein
Grenzland zwischen den Dingen, die wir Sein und Tod nennen«. Daß Freud das Sexuale als Grundstock des Empfindens
einstellt, entspricht seiner Rasse, für die das Allerheiligste ein Koitus war (vergl. Kap. Urreligion), indessen mag es
für viele Frauen wegen Durchsättigung mit Sexualorganischem, und einige Männer, bei denen sich Bewußtes
und Unbewußtes um Erotik dreht, zutreffen. Normalerweise handelt es sich aber dabei meist um unbefriedigte
Sexualität, die wachend im Hintergrund schlummert und träumend ihre Wünsche offenbart. Wie Don Juan über
Zoten gähnt und ein erotisches Buch weglegt, träumen solche, die viel Erotik genossen, nie erotisch, und der
Gegendruck starker geistiger Beschäftigung verscheucht sinnliche Vorstellungen. Die Versuchung des heiligen Antonius
naht sich eben nur, wo Verinnerlichung nicht stattfand, daher muß man uneingeschränkte Behauptung sexualer
Grundlage für Träume, die nichts Erotisches in sich tragen, als absurd ablehnen, genau so gut könnte man dies
von allem Denken sagen, weil der Denkende einst aus einem Zeugungsakt hervorging! Das Wichtige des Traumes liegt vielmehr in
nicht nötiger Verknüpfung des Träumenden mit wachem Erleben. Heine z. B. war sinnlich und lachlustig, malt
sich hier am besten in Pariser Grisettenliedern, doch schildert ebenso ehrlich sein trübselig keusches Traumleben.
»Ich habe im Traum geweinet« glauben wir gern, denn oft weinen Menschen im Schlaf, denen es im Wachen nicht
einfällt, verhaltene Tränen, die nicht zum Bewußtsein kamen. Byron dichtete sein Gleichnis vom Skorpion im
Flammenring im Traum, schrieb es erwachend sofort nieder, wir bestätigen, daß derlei im Halbschlaf möglich,
sogar philosophische Ideen tauchen da plötzlich auf. Was beweist dies immer wieder? Daß die Psyche für ihr
Arbeiten keines sinnlichen Bewußtseins bedarf. Ist's wachendes Träumen oder träumendes Wachen, was die
Tür der Geisterwelt aufstößt? –
Kerners Vorführung der Seherin von Prevorst ergibt für den Prüfenden Gleiches, wie alle andern vorher und
nachher bis heut beobachteten Phänomene. Erstens, daß sie an und für sich wahr sind, schon dem Altertum
bekannt, wo man zum Magnetisieren behufs hellseherischer Zustände eine Art Magnetstein benutzte und solche Prozeduren
nur von eingeweihten Priestern vollziehen ließ. Glauben an psychische Heilmittel teilte noch der berühmteste Arzt
späterer Zeit, van Helmont. Zweitens wird klar, daß alle Aussagen, die sich aufs Jenseits beziehen, vom sonstigen
Vorstellungskreis der Hellgesichtigen abhängen, daher die Prevorstseherin und so viele andere im Bann ihrer christlichen
Mythologie bleiben, während ein Inder dabei notwendig in indischen Religionsbegriffen beharren würde. Nichts
wäre also unverständiger, als derlei Botschaften kanonische Bedeutung beizumessen, alle Spirits bleiben auch in dem
ihrem Geisteszustand gemäßen Jenseits von dem im Diesseits Eingeprägten hypnotisiert. Fraglich, ob ein
großgeistiger Spirit sich gewöhnlichen Menschen vermitteln könnte, nur ein ihm Verwandter noch in Erdschwere
gebannter Großgeist dürfte ihn so stark anziehen, daß er Rede stehen müßte – falls dies
nicht verboten ist. Wie schon zuvor angedeutet: Brunos oder Leonardos Spirit würde über Jenseits etwas aussagen,
was
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