Der Aufgang Des Abendlandes
schwerlich mit christlichen, wohl aber transzendentalen Begriffen sich deckt. Dies setzt natürlich einen
gleichstehenden Empfänger voraus. Zwiesprache großer dies- und jenseitiger Genien wurde nie überliefert, ist
auch unnütz, weil erlauchtes Denken keiner Spirits bedarf, sondern ihm spirituelle Gabe durch eigene Inspiration
zufließt. Jenseits-Aussagen gewöhnlicher Menschen, worauf noch Lodges Raymond-Mitteilung Wert legt, sind wertlos,
die Spirits berichten zwar wahrheitsgemäß ihre neuen Erfahrungen, doch eben nur im Kreis ihrer eigenen
geringfügigen Persönlichkeit nebst allen Vorurteilen ihres früheren Diesseits. Nichts natürlicher als
das, weil Dies- und Jenseits für die Psyche nur graduell verschieden, im Wesen ein- und dasselbe sind. Jenseits ersten
Stadiums ist nur Diesseits minus Sinneseindrücke der Erdmaterie, von andern Sinneseindrücken verfeinerter
Elementarmaterie ist der Erdbürger niederer und mittlerer Stufe noch keineswegs befreit, sonst wäre ja
Reinkarnation unmöglich.
Schelling schrieb 1811 nach dem Tod seiner Gattin, das gegenwärtige Leben sei viel schrecklicher, als wir wissen, nur
der Tote glücklich, seine Persönlichkeit werde nie geschwächt, sondern erhöht, er und wir bleiben
untrennbar verbunden. Wiederfinden im Jenseits gewiß. Wissenschaft exkommuniziert terroristisch aus der
Erfahrungsgemeinschaft bestimmte Erscheinungen als nicht zur eigenen Theorie passend, allerdings fühlt sich auch Theorie
des Spiritismus von sinnfällig plumpem Spuken abgestoßen, uns erscheinen sie aber konsequent natürlich.
Einerseits verübt auf diesem Nachtgebiet nur »Gesindel« (Hegel) solche Akte, Abgeschiedene von stumpfen
Triebleben, noch ganz diesseitig dominiert, die verzweifelt Anschluß wieder gewinnen möchten, andererseits sind es
meist Leute gleicher Art, vornehmlich naive Volksmenschen, denen sie sich sinnlich vermitteln können: Auch hier also
Einheit von Subjekt und Objekt. Für ätherische Seelenumhüllung braucht die Prevorsterin den Ausdruck
»Nervengeist«, was mit Astralkörper indischer Lehre harmoniert, wie auch ihre Einteilung in engere und
weitere Ringe des Unsichtbaren mit Buddhas »Zyklen«. Die furchtbaren Krämpfe, nach deren Überstehung
sie ins »magnetische Leben« einging, entsprechen dem kurzen freiwilligen Todeskampf, nach dessen mutiger
Überwindung der Guru-Mahatma in lebende Materie-Entäußerung eintritt. Daß dies Übergangsleiden der
früher kerngesunden Dörflerin soviel länger dauerte, erklärt sich damit, daß es weder freiwillig
noch mit schon transzendent geläutertem Denken verknüpft war, weshalb ihre unerzogene Psyche sich erst langsam von
Körperbanden löste. Warum sie dieser Lösung teilhaft wurde, bleibt unerforschlich, jedenfalls scheint ihre
hohe ethische Anlage im Unbewußten sie dazu prädestiniert zu haben. In diesem Zustand bilden sich innere
Nervenherde mit inneren Sinnen, wodurch potenziertes Gefühlsleben, d. h. Urempfindung (vergl. Bergson) das Denken in
direktes Schauen umsetzt.
Daß es in Übernatur auch Unnatur gebe, wie Kerner gelegentlich meint, ist anthropomorpher Wahn, ein dunkles
Reich unseliger Geister ist nicht dunkler als übliche diesseitige Sonnenfinsternis sinnlich geknechteter Psychen. Auch
verwerfen wir Kerners Glauben, daß nach Ablegung des Körpers alle Naturgesetze aufhören und dafür
moralische Gesetze eintreten, denn was auf der höheren Ebene moralische, sind auf der tieferen die nämlichen
Gesetze, nur daß unsere Gebundenheit sie als Materiegesetzlichkeit empfindet, es gibt keine moralischen, sondern nur
Gesetze transzendenter Kausalität, Kerners pietistischer Moralschwulst trägt ins Jenseits unziemliche Enge hinein.
Unser Wissen ist Stückwerk und unser Weissagen auch, aber damit ist nicht gemeint, daß Ringen und Streben der
Geistvernunft nutzlos und nur bescheidener Einfalt passives Schauen von Wert vor Gott sei. Paracelsus, Böhme, Angelus
Silesius bekamen dies Schauen durch geniales Denken, Bruno nicht minder. Wer den Rationalismus nicht durch höhere Ultima
Ratio geistiger Erhebung besiegen will, sondern durch vernunftlose Extase kirchlicher Vorstellungen leistet der guten Sache
einen fragwürdigen Dienst. Jeanne d'Arc, die so gut Stimmen und Visionen hörte und sah wie die Prevorsterin,
bestand irdische Kämpfe mit heroischer Leidenschaft genialer Begabung. Jede Einseitigkeit, das Unsichtbare nur mit einer
Methode erschließen zu wollen, führt zu
Weitere Kostenlose Bücher