Der Aufgang Des Abendlandes
Tisch kein so rasches Ergebnis bringt, versteht sich von selber, weil
das Schwergesetz in ihm massiveren Widerstand leistet, nämlich für unseren äußeren Sinneseindruck. Wir
sind überzeugt, daß auch Händeauflegen nur formalen Zweck hat, die bewegende und prophetische Kraft sonst
ausschließlich in der psychischen Bewegung der Erwartenden liegt und intensive Empfindung auch ohne äußeres
Manipulieren die Materie bewegen könnte, wie von antiken Zauberern bezeugt wird. Die Derwische bilden eine
lebensmagnetische Kette und gelangen so zur Aufhebung der Schwerkraft, bis ein liegender zwei Fuß hoch in der Luft
schwebt. Fürst Pückler fand das Tischrücken in Smyrna verbreitet, das schon 1600 in Lyon von einem Magiebuch
beschrieben wird. Die Lamas in Tibet entdecken Diebstähle durch fliegende Tische, beiläufig viereckige.
Pückler berichtet über zwei elektrische Mädchen, deren Geheimkräfte wahre Exzesse begingen, Türen
zertrümmerten, ohne sich selbst vom Fleck zu rühren. Als die Sekte amerikanischer Expounders Tischrücken
verbreitete, fungierten damals besondere Medien wie Mrs. Handon; Beschreibung solcher Sitzung durch einen Londoner Deutschen
ist doppelt lehrreich, weil ein riesiger massiver Eßtisch in einem dem Medium unbekannten Privathaus benutzt wurde,
eine darauf stehende Lampe blieb bei heftiger Tischbewegung wie angeleimt stehen; die Fragen der andern Beisitzer
(sämtlich ungläubig) wurden nie ausgesprochen, sondern nur gedacht, sofort von Klopfgeistern richtig
beantwortet.
Ob letztere »Seelen« Abgeschiedener vorstellen, ist der zweifelhafte Punkt, unzweifelhaft aber die durchaus
psychische Art des Phänomens, Kraft dabei nur im Menschen oder Spirit, nicht in irgendwelchem Materielement. Die Handon
forderte bloß für physikalische Bewegung das Handauflegen, die Klopfprophetie geschah ohne Manipulation. Da man
ein Buch lobend oder tadelnd rezensiert, ohne es gelesen zuhaben, je nach persönlicher Stellungnahme zum Autor, so
wundern wir uns nicht, daß Gelehrte über derlei spotten, ohne es je selber erlebt zu haben. Auch Liebigs Ablehnung
des Geistersehens, weil man nicht mal feine Materie atmosphärischer Luft sehe und körperlose Wesen nicht Licht
reflektieren, also nicht gesehen werden können, geht wieder mal von Voraussetzung aus, dem Grundübel des
Rationalismus. Denn wer sagt ihm, daß Geister in derjenigen niedern Sphäre des Mittelreichs, wo sie noch an der
Erdatmosphäre haften, wirklich körperlos seien, da ihnen der Astralkörper noch zukommt? Ihr Gesehenwerden
erfolgt natürlich nicht durch den gleichen Prozeß wie bei Eindruck leiblicher Augen. Humboldts und Aragos Gerede
gegen Tischrücken mutete schon damals ernste Beobachter kindisch an, seither änderte sich nichts, man
vergißt, daß italienischer »Volksaberglaube« zu Galvanis und Voltas Entdeckungen sowie zur Erkundung
des Siderismus durch sogenannte Wünschelruten führte. Daß etwas dem Elektromagnetischen Ähnliches beim
psychischen Phänomen des »Drehens« mitspricht, was sich am Menschen so gut wie an Stühlen praktizieren
läßt, hebt nicht auf, daß die Kraft selber nicht von äußerer Materie ausgeht, zumal auch
telepathisch begabte einzelne die antiphysikalischen Wunder vollbringen können, ohne einer »Kette« von
Mithelfern zu bedürfen. Auch würde tierischer Magnetismus nur das Physikalische der äußern Bewegung, nie
Verunft und Weissagung des Tisches erklären. Da handelt es sich um unsichtbare Vorgänge, die zwar mit dem verwandt
sind, was man als elektromagnetisch formuliert, doch schon einer höheren Ebene angehören und direkt gar nichts mit
jenen Naturbegriffen gemein haben. (Verschiedenes beim Tischrücken erwies sich als antielektrisch und antimagnetisch.)
Was immer man über Kerners Prevorsterin und Mädchen von Orlach denken mag (neu kommentiert von H. Freimark), so
entsprechen verbürgte Tatsachen von Gespensterei und Besessenheit sowie somnambule Tiefblicke in den »Sonnen- und
Lebenskreis« auffällig neuen okkulten Erfahrungen und spiritistischen Aussagen, nur daß sie sich eben heute
in modernerer Gewandung melden. Der Kern dieser Erfahrungen bleibt stets der gleiche, doch daß die Form der
Mitteilungen sich erheblich änderte – heute reden die Besucher aus der vierten Dimension auf einmal
philosophischer –, zeigt die Abhängigkeit dieser Eindrücke vom subjektiven Bildungsstand der Empfänger.
Der unbedeutende, aber gebildete Raymond Eodge sieht
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