Der Aufgang Des Abendlandes
Todesstrafe den Antialtruismus zum Gesetz erhöbe, so würde der Gutartige sich dawider
auflehnen oder höchst widerwillig das Bösartige tun. Dem Schlechtartigen dagegen sind schon die konventionellen
Gesetze zu viel, er tut Böses »mit Lust und Selbstgenügen«, wie schon die Bagghavad weiß. Wenn
sämtliche Spirits ihn versicherten, er werde sich damit große Unannehmlichkeiten im Jenseits schaffen, so
ändert dies sein Treiben nicht im geringsten, auch hilft er sich eiligst damit, als gebildeter Tropf ein Jenseits zu
leugnen. Sind also Fühlen und Denken determiniert, dann notwendiglogisch jedes Leben überhaupt, es ist rein
aberwitzig, Vorbestimmung zu bestreiten. Denn gerade vom materialistischen Standpunkt aus würde sie sich ja
natürlicher Mechanistik bedienen, dann aber auch gewiß kosmischen Einflusses der Planeten. Wie die ewige Wahrheit,
so hängt auch zeitliche Geistesstörung als unlösliche Kette aneinander. Telepathische Prophetie muß
alimine geleugnet werden trotz alles gepredigten Determinismus, denn sonst muß man höhere Kausalität als die
des Stoffes begrüßen, da nichts vorhergesagt werden kann, wenn nicht alles vorbestimmt, jeder bestimmt prophezeite
Vorgang bedingt Vorbestimmung aller andern Vorgänge, die kausal damit zusammenhängen. So bedeutet Hellgesicht einen
»Riß durchs Fundament der Naturforschung« (Joel), darum muß man sich gewaltsam die Ohren gegen solche
Sirenenlieder verstopfen. Man kann der Wissenschaft nur dringend raten im Interesse aller Pfaffengebühren ihres
Pfaffenkults, bei bisheriger Haltung zu verharren: ich glaube an die alleinseligmachende Messung, ans unfehlbare
physiologische Experiment und an mechanisches Leben, Amen.
Diejenigen neusten Wissenschaftler, die sich belehren lassen wollen, ziehen umsonst das sogenannte Okkulte in den Kreis
ihrer Betrachtung, sofern sie nicht a priori erkenntnistheoretische Grundlage finden. Denn Verschiedenheit aller
Telepathiker, Medien und Spirits schließt klare bindende Aussagen über Okkultes aus. Nimmt man persönliche
Fortdauer der Iche an, wie müßte Brunos Spirit sich abwenden von all dem Kroppzeug, das der Weltkrieg
hinüberlieferte! Da die ungeheure Mehrzahl nur von selbstischen Affekten bewegt wird, darf man nicht erwarten, daß
sie jenseits irdischer Bewußtseinsschwelle etwas wesentlich anderes kennt, denn bei persönlicher Fortdauer
hört ja Ichbewußtsein nicht auf. Wenn Kriegsfreiwillige bei Ypern mit »Deutschland über alles« in
den Tod gingen, so mögen sie nach japanischer Vorstellung sich dadurch ein günstiges Karma erworben haben, doch die
braven Jungen erwarben sicher nicht damit klarere Anschauung ihrer neuen Astralebene. Was helfen ungenügende
Geisterbotschaften, was unvollständige Hellgesichte, solange man nur fragmentarisches Stückwerk erhält! Die
Überzeugung von Tatsächlichkeit der Spiritwelt hat philosophisch nur den negativen Wert, plumpen Materialismus zu
entwurzeln. Dagegen hat rein spekulative Überzeugung von Karmavorbestimmung und Wiedergeburt bei der Mehrzahl der
asiatischen Menschheit positiv gewirkt, Brahmanisten und Buddhisten bedürfen keiner Spirits dafür, so wenig wie die
Weisen des Altertums, auch verläßt man sich nicht auf Magie als etwas für sich Bestehendes, sondern als
Ausfluß höherer Mächte. Die Semitenreligionen konnten ihren sinnlichen Anthropomorphismus und
eudämonistischen Egoismus nicht voll bewahren, denn die christliche Mystik mündete alsbald in die neuplatonische
über und arabische Philosophie kehrte zu indischer Anschauung zurück wie die platonische, Buddhas Wandelwerden
setzte sich in Heraklit, Ägyptisches in Pythagoras fort, Neoplatonik in Bruno, Calvins Prädestination ist
theologisch verdorbener Karmaglaube. Denn wahres Denken läuft stets in gleicher Linie, unabweisliche Fluiden sprangen
sowohl auf Kant wie auf Swedenborg über. Daß das Denkergebnis jeder echten Physik metaphysisch wird,
läßt sich, da Kopfabschlagen das sicherste Mittel gegen Zahnweh, am besten durch Totsagen der Metaphysik heilen,
doch es heißt den Teufel mit Beizebub vertreiben, wenn falschem Objektivismus maßloser Subjektivismus
entgegentritt. Weil die ihm sichtbare Welt nur des Menschen Vorstellung ist, was übrigens zuerst Descartes'
»Betrachtungen« festlegten, braucht sie noch lange nicht Werk seines Willens zu sein, dieses illusorischen
Amphibiums Schopenhauers, das in lauter Vorstellungen zerfließt. Für die Ameise ist Gott
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