Der Aufgang Des Abendlandes
athmosphärische
Reibung: uns unsichtbar werdend ist sie immer noch da. Wenn der Magnet ein Staklstüchchen anzieht, folgert man daraus
Magnetismus, ähnlich steht's mit den Strahlen: Zufällig lernt man eine Kraft dadurch kennen, daß sie eine uns
zufällig sichtbar werdende Nebenerscheinung hervorruft. Von Tönen hören wir eine bestimmte
Luftschwingungsanzahl, alles was darüber oder darunter ist, bleibt unhörbar. Wenn um uns herum Millionen Spirit's
Gespräche führten, würden wir keinen Ton vernehmen, Spukgeister müssen durch Stöhnen, Scharren,
Klopfen menschliche Illusion erwecken, um sich hörbar zu machen. »Auch nicht der kleinste Stern, den du da siehst,
der nicht im Umschwung wie ein Engel singt«, doch solche Sphärenklänge vernimmt nur Shakespeares inneres
Gehör, »solche Harmonie ist in unsterblichen Seelen, doch wir können sie nicht hören.« Beethoven
und Wagner hören, was sinnliches Empfindungsvermögen vermittelt; hörten sie mehr, durch welche Instrumente
sollten sie es verständlich machen? Das Unhörbare ist der Urquell alles Tönens. Licht und Farbe als
Ätherschwingung sind uns nur ein Regenbogen, außerhalb dieser schmalen Grenze empfinden wir nichts. Erstaunliche
Verknüpfung von Hören und Sehen, wodurch ein Sensitiver Töne bei Farbe und Farbe bei Tönen empfinden
kann, beweist daher Einheit der Sinne als einheitlichen psychischen Vorgang. Materie stellt sich den Facettenaugen der
Insekten völlig anders, doch ebenso relativ wahr dar, Wärme hängt lediglich von Blutwärme des Bestrahlten
ab. Man redet von Dampfkraft, als ob es sich dabei um Pferdekräfte handle, doch wir nehmen nichts wahr als eine
Eigenschaft des allgemeinen Wasserstoffs, dessen Aggregat- oder Auflösungszustände uns nur teilweise bekannt werden
und die im Wasserstoff des menschlichen Körpers gleiche Verwandlungsfähigkeit durchmachen. Ihre Verbindung mit
Sauer- und Stickstoff aus dem Äther ergibt wiederum einen Verbrennungsprozeß, so daß sich wässeriges
und feuriges Element im Endergebnis nicht scheiden lassen. Erhaltung der Kraft beweist man aus Wärmesummen, ebensogut
könnte man sie aus einem beliebigen andern Phänomen beweisen, wenn man die nötigen Handhaben dafür
hätte. Jedes Ganze gleicht jedem Teile, doch hier sind der Teile so viele, daß der verwirrte Menschengeist nichts
überschauen kann in dieser einen unteilbaren Republik (une et indivisible) des Weltorganismus, den Fechner vollkommen
logisch als ein einziges psychodynamisches Wesen auffaßt.
Wenn Darwin aus völliger Verschiedenheit seines Bruders von ihm sehr richtig schloß, er halte mit Galton alle
psychischen Neigungen für angeboren und durch Milieu unveränderlich, so hätte er aus solcher Ungleichheit der
Artung bei gleichem Ursprung lieber das Psychische des Weltbilds und aller Varianten folgern sollen. Er entdeckte kurz vor
seinem Tode 1880 »die Macht der Bewegung in den Pflanzen«, darin steckt kein Evolutionsprinzip, sondern nur
Identität von Bewegung und Leben, das immer psychische Dynamik ist, im Individuellen nur Spiegelung des
supraindividuellen Weltvorgangs. Sein Mitstreiter Wallace, der zuerst 1858 die Phrase »strugle for life« als
Evolutionshebel aufdrehte, war ebenso fanatischer Spiritist wie Crookes, aus dessen Intuitionsblitzen erst Maxwells
Elektronen und die Röntgenstrahlen entsprangen. Spezialisten, die jenen nicht die Schuhriemen lösen können,
bedauern herablassend solche Verirrungen wie auch von Du Prel, Sciaparelli, Flammarion, Lombroso oder Newtons Bemühung
um die Offenbarung Johanni. Wir selbst stehen der Auslegung des Spiritismus skeptisch gegenüber, wie sie heute Lodge und
der literarische Detektiv Doyle unterschreiben, uneingedenk des eigenen Detektivgrundsatzes, daß Indizientatsachen nur
dann zur Wahrheit führen, wenn sie sich mit logischer Theorie decken. Doch nur ein verbohrter Narr verkennt, daß
uns hier einzelne neue Eigenschaften des psychischen Weltprozesses wahrnehmbar werden und auch Telepathie einfach ein anderes
Bruchstück jener zeit- und raumlosen Kraft bedeutet, die wir seit ältesten Zeiten als schöpferisches Genie
kennen. Das Sichtbare läßt sich nur aus dem Unsichtbaren ableiten, das Unsichtbare nie aus dem Sichtbaren. Das
darf aber nicht dualistisch verstanden werden, denn wenn wir zu lesen verständen, wäre uns jedes Sichtbare ein
Hieroglyph für unsichtbare Zweckgedanken, jede Materie gleicht jedem okkulten Phänomen, Natur ist ein
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