Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Aufgang Des Abendlandes

Titel: Der Aufgang Des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
Vom Netzwerk:
werden Pflanzen, Pflanzen werden Tiere, auch Menschenleben ist
ein kreisendes Rad. Die Mineralanfangstufe bilden Gips und Salz, ihre Endstufe die Morchel, ein Pflanzenmineral. Der Pflanzen
Endstufe ist die Dattelpalme, eine hermaphroditische Tierpflanze, auch schmarotzende Orchideen haben schon das Tun einer
Tierseele. Des Tieres Anfang ist die Rohrschnecke, die nur Tastsinn hat, als Endstufe kommt der Affe dem Menschen nahe
»in der Form des Leibes, im Charakter dagegen das Araberpferd, in Einsicht der Elefant, in Begabung Papagei und
Biene.« – So sieht der arabische Darwinismus im 10. Jahrhundert aus, wie der Orientalist Dieterici ihn 1875
geistreich schilderte. Also, was wahr und unbestritten, stufenweise Verbindung, ist uraltes Naturerkennen, wozu es nur
für theologisch verderbte Europäer eines Darwin bedurfte. Nur daß die klugen Asiaten bei näherer
beständiger Betrachtung auch anderen Tieren neben dem Affen die Übergangsstufe einräumten und des Affen
körperliche Verwandtschaft für nichts Entscheidendes hielten. Ferner verkannten sie nicht die heute naiv geleugnete
Ungleichheit der Menschenspezies selbst bei gleicher Rasse. Nur des Menschen Unterstufe hängt lose mit dem Tierreich
zusammen, das sind »jene, die nur Sinnliches kennen, nur von leiblichen Gütern wissen. Sie begehren nur diese
Welt, möchten ewig darin bleiben obwohl sie dies als unmöglich wissen. Ist auch ihre Gestalt die des Menschen, so
handeln sie doch nur wie Tier- und Pflanzenwelt.« Die Oberstufe bilden solche, »die vom Schlaf der Torheit
erweckt und zum wahren Leben erwacht sind, bei der Reinheit ihrer Substanz erfassen sie die von Materie reinen Formen.«
Obschon sie dem Leibe nach mit den Menschen verkehren, gehören sie der Welt geistiger Wesen an«.
    Dieterici, dem wir manche witzige Anregung verdanken und nachbilden, ahnte nicht, daß diese »arabische«
nur Erbteil einer Urweisheit war. Ob wir mehr Planeten und Elemente kennen als die arabische Kosmogenie mit ihren 11
Sphären, erweitert unsere Vorstellung nur in die Breite, ohne irgendwie tiefer das Wesen zu berühren. Der Aberwitz,
aufgestapeltes Wissen für Verbreiterung der Oberstufe zu halten, belehre sich durch historische
Relativitätstheorie. Diese Oberschicht bildete allezeit seit Anbeginn eine nie vermehrte und nie verminderte Konstante.
Hier fällt jede Auslegung einer Evolution dahin, während Stufenleiter der Materieorganismen eine Binsenwahrheit von
ehrwürdigem Alter bedeutet. Das Gute Darwins ist alt, das Neue nicht gut, sobald sich der Materialismus seiner
bemächtigt.
    Pythagoras nannte zuerst die Welt einen Kosmos, d. h. Ordnung, daran ändert auch materialistisches Denken scheinbar
nichts, setzt aber dabei ethische Disharmonie voraus, die jede Psycheausstrahlung zu täuschender Spielerei
herabdrückt. Vielheit der Erscheinungen auf Einheit zurückzuführen ist kein Grundprinzip der Wissenschaft, wie
ein Franzose irreführt, sondern des scharfen Denkens. Huldigt ihm der Materialismus, so verleugnet er sich selbst. Denn
für exakte Beobachtung bedeutet Materie schlechtweg Vielheit, in ihr Einheit suchen ist jenseits jeder Wahrnehmung
verborgene idealistische Synthese. Hier war Notdurft Vater des Gedankens: weil Viel- und Ungleichheit bestimmten
materialistischen Prämissen widerspricht, mußte künstlich ein Monistisches Protoplasma durch
Evolutionshypothese eingeschmuggelt werden. Buffon und Linné lehrten aber die im Typ festgelegte Beständigkeit
der Art. Wohl bewegten diese Gründer von Zoologie und Botanik sich in mancherlei Irrtümern, wie später auch
Cuvier, doch ihre Grundmeinung läßt sich nicht umstürzen, zumal jeder Experimentalbeweis für wirkliche
Veränderlichkeit fehlt und Darwin nur Wahrscheinlichkeiten aufstellte, um welche man ein dogmatisches
Glaubensgerüst herumbaute. Jene Alten meinten, die Affenzunge sei zum Sprechen wohlgeeignet (während Herder
umgekehrt das Nichtsprechenkönnen anatomisch erklärte), es fehle nur der Geist dazu. Nun wissen wir heute,
daß Sprachfähigkeit nicht auf der Zunge, sondern in Brocascher Hirnrindung liegt. Wäre die Zunge
maßgebend, müßten alle Papageien reden, doch tun dies nur besondere Arten von besonderer Intelligenz. Der
Affe aber hat wie jedes Tier Geist, d. h. Bewußtsein und vielleicht auch einen primitiven Sprachtorso, denn alle Lust-
und Unlustlaute der Tiere sind Gehirnakte. Das ist gar nichts Besonderes, eine Katze besitzt ein ganzes Vokabularium

Weitere Kostenlose Bücher