Der aufrechte Soldat
nahmen Habachtstellung ein und wurden einer flüchtigen Inspektion unterzogen. Wir verließen den Bahnsteig in anständiger Marschordnung, die Tropenhelme auf den Köpfen, und brachten unsere Habseligkeiten zu einer Schlange von Dreitonnern, die vor dem Bahnhof auf uns wartete. Alle Lastwagen, so erfuhren wir, wurden nun, da wir in Indien waren, Gharris genannt. Wir bestiegen die Gharris, und die Heckklappen wurden hinter uns geschlossen. Nun boten wir auch keinen militärischen Anblick mehr, und die fliegenden Händler kamen wieder heran, bis wir abtransportiert wurden.
Sergeant Meadows sah in den Lastwagen unseres Zuges. »Ist hier alles in Ordnung?«
»Mir wird vom Autofahren schlecht, Charley«, melde te Dusty Miller sich.
»Das ist immer noch besser, als marschieren zu müssen, oder etwa nicht? Sieh nur zu, daß du ordentlich, wie es sich gehört, in deinen Tropenhelm kotzt! Zuerst einmal haben wir jetzt eine halbstündige Fahrt zu der Kaserne in Kanchapur vor uns. Dort gibt es sofort etwas zu essen, wenn wir angekommen sind, und danach heißt es ab ins Bett, okay? So früh wie möglich aufs Ohr gehauen. Wir haben jetzt zwei Uhr. Wecken ist um halb sechs, und danach eine Runde um den Block, ehe es zu heiß zum Laufen ist.«
Stöhnen rundum.
»Und denkt immer daran – ihr befindet euch in einem tropischen Land. Kein Kauf von Lebensmitteln von diesen Straßenvögeln, verstanden? Sonst holt ihr euch die Maden direkt in den Bauch. Sollte ich einen von euch erwischen, wie er von den Straßenhändlern etwas zu essen kaufen will, dann schleppe ich ihn so schnell vor den Diensthabenden, daß seine Füße keine Zeit mehr finden, den Boden zu berühren. Achtet nur darauf, was die alten Hasen tun – wie Chalkie White zum Beispiel, der schon lange hier draußen ist, genauso wie ich –, geratet nicht in Panik, denkt daran, daß Indien nicht das wunderschöne Devon ist, und ihr werdet schon klarkommen. Thik-hai? Vergeßt nicht, daß die Inder eigentlich auf unserer Seite stehen.«
Ironische Bravorufe.
»Die Inder stehen auf unserer Seite. Sie gehören zum Britischen Weltreich, und es ist unsere Pflicht, sie zu schützen. Deshalb sind wir hier. Laßt euch mit keinem auf etwas ein. Behandelt die Inder mit Respekt und laßt sie nicht in die Nähe eurer Gewehre. Nehmt tagsüber niemals eure Tropenhelme ab – ein Sonnenstich ist eine selbstbeigebrachte Verletzung und wird dementsprechend bestraft.«
Wir sahen ihn schweigend an. Charley Meadows war ein massiger Mann mit einem eher weichen Gesicht. Sei ne Wangen erbebten vor Ernsthaftigkeit. Er hatte Angst um uns. Vieles von dem, was er uns mitteilte, hatte er uns fast jeden Tag auf dem Schiff erzählt; es immer wieder aufs neue zu hören war durchaus angenehm. Es trug dazu bei, uns wachzuhalten.
»Und was ist mit Frauen, Sergeant?« fragte Jackie Ter tis.
»Ihr seid noch zu jung, um solche Fragen zu stellen, Tertis«, sagte Charley, und alle lachten.
Die LKW-Fahrt dauerte über eine Stunde. Wir schwankten hin und her, während das Fahrzeug dahinfuhr. Der Konvoi verließ Indore und schlängelte sich durch eine Landschaft zunehmender Wildheit. Die wenigen staubbedeckten Dörfer, durch die wir fuhren, waren völlig verlassen. Das einzige Leben, das wir sahen, war, von einer gelegentlich auftauchenden Kuh abgesehen, der eine oder andere streunende Hund; vom Lichtstrahl der Scheinwerfer gestreift, richtete er seine roten Augen auf uns, wenn wir vorbeifuhren … Ab und zu machte unser Gharri einen Satz nach vorne, wenn unser Fahrer versuchte, einen der Hunde zu überfahren. Haßt das Land, haßt seine Bewohner – die offizielle Empfehlung wurde uns nachhaltig deutlich gemacht.
»Ich glaube nicht, daß ich viel von Indien halten werde«, verkündete Geordie. Selbst er spürte, was los war.
Die Kaserne tauchte aus der Dunkelheit auf und sah genauso verlassen aus wie die Dörfer, außer daß sie bewacht war. Die Einrichtung bestand aus mehreren großen Blocks, zweigeschossig, mit Säulengängen im Parterre und breiten Baikonen darüber. Keine Lampe brannte, außer in der Messe, wo mürrische Köche uns eine Mahlzeit aus Rinderfrikassee, Backpflaumen, Eierkrem und Tee servierten. So schnell wie möglich aßen wir, suchten dann unsere Betten auf und hauten uns aufs Ohr.
Wie versprochen absolvierten wir am nächsten Morgen um halb sechs unseren Lauf. Der Himmel riß am untersten Rand auf, horizontal einfallende Sonnenstrahlen brannten auf behaarten Beinen. Es war ein
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