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Der aufrechte Soldat

Der aufrechte Soldat

Titel: Der aufrechte Soldat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
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dreibeinigen Hunde, die Halsabschneider, die am Boden hockend pinkelten und ausspuckten, die Frauen, die an ei nem Wassertank standen und Wäsche wuschen und tranken, die Affen, die auf den Schuppendächern hockten und herumturnten, die ziellosen Leute, die auf ihren Krücken dem Leben nachjagten, während sie zusahen, wie alles unter dem Staub versank, die Kinder mit heilen Körpern, die neben unseren schneller rollenden Waggons herrannten, die Hände ausgestreckt und immer noch bemüht, ein letztes »Bakschisch« aus uns herauszulocken!
    Dies war Jahre, bevor ich zum ersten Mal den Begriff »Bevölkerungsexplosion« hörte.
    Der Bahnhof wurde hinter uns weggezogen, und seine Menschen und Gerüche versanken. Statt dessen – das Labyrinth namens Bombay. Seine Düfte! Seine Tempel! Hier und da erblickten wir hinter einem Fenster ein Gesicht oder eine Familie auf einer Veranda, von unserem Tempo zur Regungslosigkeit verdammt. Wie war es, was war der Sinn des Lebens in diesen verkommenen Räumen?
    Aus einem in der Nähe gelegenen Abteil unseres Zuges drang dröhnendes Gelächter. Enoch Ford schrie uns zu, wir sollten uns ansehen, was er gefunden hatte, wobei sein trauriges Boxergesicht von einem Lächeln durchfurcht wurde. »Da, Stubby, lies das mal!« Er wies auf ein Emailleschild an der Innenseite der Schiebetür. »Dieses Abteil hat ein Fassungsvermögen von acht Indern. Und jetzt sind beschissene zwölf Leute von uns drin mitsamt der ganzen Ausrüstung! Wie gefällt dir diese Demonstration von De-mo-kra-tie?«
    Beschwerden und Gelächter begleiteten seine Bemer kung. Aber Enoch war ein in der Wolle gefärbter Kom munist (ganz gewiß der einzige in der A-Kompanie), daher wurden seine Bemerkungen immer mit einem gewissen Vorbehalt aufgenommen. Wir äußerten fröhlich unsere Anteilnahme angesichts dieser Hölle unserer derzeitigen Existenz und rauchten eine zweite Runde Zigaretten.
    Die Toilette am Ende des Korridors, vor der sich bereits eine Schlange bildete, sorgte für weiteren Spaß. Sie war einfach ein Schrank, ohne Belüftung, in dessen Boden sich ein rundes Loch befand. Durch dieses Loch drang etwas Licht und Luft ein, und man hatte einen ungehinderten Blick auf die vorbei jagenden Schwellen zwischen den Gleisen.
    »Das ist euer einziger Weg, um von der Armee abzuhauen, Freunde – durch das Scheißloch!« erklärte Corporal Ernie Dutt uns gutgelaunt. Ernie nahm alles mit guter Laune – in seiner Gegenwart hatte man oft das Gefühl, daß sogar Indien etwas teilweise Unbeabsichtigtes war.
    Namenlose Schleimfäden wanderten an den Wänden des Aborts abwärts. Ebenso namenlose Schimmelpilze arbeiteten sich nach oben. Um in der hockenden Haltung das Gleichgewicht zu behalten, ohne die Seitenwände mit den Händen zu berühren, während man durch das Loch zielte und abdrückte, brauchte man ein gewisses Können, zog man das heftige Rucken des dahinstampfenden Zuges in Betracht.
    Wir verließen Bombay. Der Zug dampfte durch offenes Land und gewann dabei an Geschwindigkeit, als bemühte er sich verzweifelt, die enormen Entfernungen zu überwinden, die sich jetzt offenbarten. Hier und da waren Dörfer zu sehen – eigentlich befand sich stets eines in Sichtweite des anderen. Im Gegensatz zur Stadt sah hier alles wohlhabend und einladend aus. Es gab Wasserbüffel, die von Kindern gehütet wurden; einige waren bis zu den Nasen in Tümpeln versunken. Die Landschaft wallte auf und ab, ohne ihren fremdartigen Charakter zu verlieren, als würde draußen vor dem Fenster ein endlos langes aufgemaltes Panorama entlanggezogen. Wir verloren das Interesse an dieser Art von Sinnestäuschung und wandten uns unseren eigenen Spielchen zu, erzählten uns Anekdoten von zu Hause, rauchten viele Zigaretten, wiederholten den einen oder anderen Witz über das Leben an Bord der »Ironsides«, dessen Unannehmlichkeiten in der Rückschau zum Thema zahlreicher Scherze wurden.
    »Crikey!« rief Wally und schlug zur Bekräftigung Charlie Cox auf den Bizeps. »Sobald wir uns häuslich eingerichtet haben, suche ich mir eine schwarze Frau! Nach diesem Schiff habe ich eine ganze Menge Schlamm auf der Peitsche.«
    »Da bist du nicht der einzige, alter Knabe«, sagte Charlie. Charlie war der Hauptgefreite unseres Zuges. Er war in den Dreißigern und ein guter Mann am leichten Maschinengewehr, nüchtern, umsichtig und zuverlässig.
    Wir verbrachten eine angenehme halbe Stunde damit, uns gegenseitig genau zu beschreiben, wieviel Schlamm sich auf

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