Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der aufrechte Soldat

Der aufrechte Soldat

Titel: Der aufrechte Soldat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
Vom Netzwerk:
Toren von Kanchapur, fertigte eine oder zwei grobe Zeichnungen von der Landschaft auf der Rückseite eines Funktelegramms an – die letzten Reste einer Kunst, die ich hauptsächlich wegen Veronika erlernt hatte. Ich spielte Fußball, ich trank, lachte, fluchte und war entschlossen, ein letztes Mal mit einer Frau zusammenzusein, ehe wir an die Front zogen und in Stücke gerissen wurden.
    Die abendlichen Besäufnisse wurden immer zügelloser, die Morgenläufe immer anstrengender. Am vorletzten Abend, bevor der Hauptteil der Truppe Kanchapur verließ, war ich fast vollständig pleite und ging mit Aylmer und Geordie runter ins »Vaudette«, wo wir uns in die Sitze für vier Annas zwängten und uns Humphrey Bogart in »Casablanca« ansahen.
    Als wir anschließend wieder rauskamen und in der anbrechenden Abenddämmerung standen, pfiff Geordie reichlich falsch den Titelsong des Films, wozu einige heftige Aktionen seines Adamsapfels notwendig waren. Ich versuchte gerade herauszubekommen, ob wir genug Geld zusammenkratzen konnten, um uns drei Bier zu genehmigen. Und was summte Aylmer da vor sich hin, halblaut und kaum zu erkennen? »Könnt’ ich dich vor mir stehen sehen …«
    »Was ist das denn für ein Scheiß, den du da singst?« fragte Geordie.
    »Ein Song, den ich und meine Frau mal sehr gern gehabt haben«, sagte Aylmer ausweichend.
    »Du hast uns nie erzählt, daß du verheiratet warst«, meinte ich.
    »Sie starb vor zweieinhalb Jahren bei einem Bombenangriff. Ihr könnt mich ja irgendwann mal abends besoffen machen, dann erzähle ich euch alles.«
    Wir gingen in unser Stammcafe und setzten uns an einen Tisch in einer Nische. Ich staunte innerlich bei der Vorstellung, daß Aylmer verheiratet gewesen war. Die Ehe war damals etwas, worüber ich nicht im entferntesten nachdachte. Obgleich ich – wie weit lag das schon zurück! – Virginia die Ehe angetragen hatte, konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen, wie es war, mit einer Frau eine derart lange Beziehung einzugehen. Würde ich jemals zu so etwas bereit sein?
    »Die Bombenangriffe waren eine ganz schöne Scheiße«, meinte Geordie, nachdem wir dank seiner letzten Rupie drei Bier hatten bestellen können. »Ich glaube, wir sollten von den Deutschen nicht eher ablassen, als bis wir jede ihrer Städte dem Erdboden gleichgemacht haben, so wie sie es mit London taten. Das ist natürlich nur meine persönliche Meinung.«
    »Eines hat Burma ja trotz allem für sich – wenigstens haben weder die Japaner noch wir genügend Flugzeuge.«
    »Da hast du ganz recht. Was haben wir denn schon? Eine lausige Staffel Spitfires.«
    »Sind es mittlerweile nicht schon zwei?«
    »Du bist in der vergessenen Armee, mein Freund, und das solltest du nicht vergessen!«
    »Stimmt genau, die vergessene Armee – Großbritanniens beschissene Fremdenlegion.«
    »Genauso ist es! Komm zur Armee und lerne die Welt kennen!«
    »Ich habe aber nicht vorgehabt, das zu Fuß zu machen.«
    Während Geordie und ich uns auf diese Weise den Ball zuwarfen, tranken wir, Aylmer redete nicht viel. Wir qualmten wie die Landsknechte, die Kellner wieselten durch den Saal, ein Ventilator wedelte uns warme Luft um die Ohren, und es war insgesamt ein angenehmer Abend. Wir waren weit weg von Indien, aber mittlerweile hielt ich das für eine Selbstverständlichkeit.
    »Ihr wißt ja gar nicht, wie das mit den Bombenangriffen wirklich war«, sagte Aylmer. »Ich war am Hyde Park stationiert – ich habe alles gesehen. Ich könnte euch furchtbare Geschichten erzählen … Es ist schon erstaunlich, was Menschen einander antun können. Wie die Wilden im Urwald!«
    Geordie meinte: »Sergeant Meadows’ Haus wurde auch getroffen und flog in die Luft. Zu schade, daß er gerade nicht daheim war.«
    »Das ist doch gar nichts! Ich kannte einen Kerl, der wurde von einer Bombe beschnitten.«
    Geordie und ich brachen in schallendes Gelächter aus. Wir hätten beinahe unser Bier verschüttet und liefen im Gesicht rot an. Dann beruhigten wir uns, sahen einander an und platzten wieder los. Es geschah nicht oft, daß Geordie so viel lachte.
    »Jetzt reagiert doch nicht so beschissen! Ich sage euch die Wahrheit«, bekräftigte Aylmer. »Er wurde von einer verdammten Bombe beschnitten. Es geschah in einem Pub in Bermondsey. Er hielt sich mit seinen Freunden in der Bar auf und soff, und dann wollte er wohl mal einen Strahl lassen. Es war kurz vor eins, Polizeistunde. Er geht also ins Herrenklo, steht da und macht seinen Bach, und

Weitere Kostenlose Bücher