Der Aufstand Auf Dem Jahrmarkt
holte tief und dankbar Atem. »Aber er ist wohlauf? Er ist nicht zu Schaden gekommen?« Sie bemerkte Alines mitfühlenden Blick und lachte erleichtert. »Ich weiß, daß er nicht tapfer ist, und ich bin froh darüber!
Auch nicht sehr klug oder besonders fleißig, aber ich kenne ihn, seit ich ein kleines Mädchen war. Er schnitzte Spielzeug für mich und Pfeifen aus Weidenrohr. Gott sei Dank, daß er nicht verletzt wurde!«
»Nicht einen Kratzer hat er davongetragen!« sagte Roger, in dessen Augen Enttäuschung und Eifersucht brannten, als er ihre kindliche, morgendliche Schönheit sah, die noch nicht herausgeputzt war und auch keines Schmucks bedurfte. »Ich wollte, ich wäre dort geblieben, um Wache zu halten! Dann wäre das Lumpenpack weder unversehrt eingedrungen, noch hätte es alles wie auf einem Tablett überreicht bekommen!«
»Aber dann wärst du wohl kaum unversehrt geblieben, Roger. Ich bin froh, daß du nicht dort warst, du hättest dich sicherlich zur Wehr gesetzt und wärst vielleicht getötet worden! Allein und unbewaffnet gegen zwei Eindringlinge! O nein, ich möchte nicht, daß jemand Schaden erleidet, weil er meinen Besitz schützen muß.«
»Wie ging es weiter?« fragte Hugh Beringar ungeduldig. Er schlüpfte in die Schuhe und griff nach seinem Überrock. »Du hast Warin am Marktstand zurückgelassen, weil er die Waren bewachen sollte? Ist er dazu imstande?«
»Wie Ihr oder ich, Herr. Sobald ich zurückkomme, werde ich ihn zu Euch schicken, damit er seine Geschichte erzählen kann.«
»Nicht nötig, ich komme mit dir, um mir die Sache, und den Schaden an Ort und Stelle anzusehen. Sprich weiter. Die Diebe werden kaum mit leeren Händen abgezogen sein. Was haben sie mitgenommen?«
Roger warf Emma einen niedergeschlagenen, um Verzeihung bittenden Blick zu. »Beklagt sei der Tag, junge Herrin, die Diebe haben die Geldkassette mitgenommen!«
Bruder Cadfael beobachtete Emmas Gesicht so aufmerksam wie ihr hoffnungsloser Bewunderer, und er glaubte festzustellen, daß sie in der beruhigenden Gewißheit, daß ihr alter Diener unverletzt davongekommen war, gegen alle anderen Schicksalsschläge unempfindlich blieb. Den Verlust der Geldkassette nahm sie mit Fassung hin. In dieser Umgebung, sicher vor jeder allzu bedrängenden Demonstration seiner Leidenschaft, fühlte sie sich sogar gedrängt, Roger Dod zu trösten. Ein gutherziges Mädchen, das nicht untätig zusehen mochte, wie sich einer ihrer Diener wegen seiner vermeintlichen Pflichtvergessenheit mit Selbstvorwürfen herumplagte.
»Du mußt es dir nicht so zu Herzen nehmen«, redete sie ihm freundlich zu. »Wie hättest du die Tat verhindern können? Du hast dir nichts zuschulden kommen lassen.«
»Ich habe das meiste von dem Geld zur Barke getragen, als ich gestern abend heimkehrte«, berichtete Roger. »Es ist sicher unter Verschluß, und dort hat es keine neuerlichen Diebereien gegeben.
Aber Meister Thomas' Rechnungsbücher und einige Pergamente und Verträge...«
»Davon wird es vielleicht Abschriften geben«, fiel ihm Emma ins Wort. »Und wenn sie die Kassette genommen haben, weil sie Reichtümer darin vermuteten, werden sie wahrscheinlich behalten, was an Geld darin war, und die Kassette mit den Pergamenten wegwerfen. Denn welchen Gebrauch könnten sie davon machen? Du wirst sehen, wir werden das meiste davon wiederbekommen.«
Nicht nur ein gutherziges Mädchen, sondern ein Mädchen von Vernunft und Charakterstärke, das trotz ihrer Verluste niemals den Mut und die Haltung verlor... Cadfael blickte zu Hugh und fand, daß dieser genauso ausdruckslos zu ihm herschaute, aber mit einer hochgezogenen Braue, die etwas skeptische Bewunderung signalisierte.
»Nichts ist verloren«, meinte Emma entschieden, »was von einem Wert wäre, den man mit einem Menschenleben vergleichen könnte.
Da Warin unverletzt blieb, kann ich nicht traurig sein.«
»Nichtsdestoweniger«, sagte Hugh bedächtig, »wäre es gut, wenn ein Wachmann des Klosters Euren Marktstand bis zum Ende des Jahrmarkts im Auge behalten würde. Denn es sieht doch so aus, als würden all die Mißgeschicke, die von Rechts wegen auf sämtliche Händler und Gäste der Abtei verteilt sein müßten, Euch allein widerfahren. Soll ich Prior Robert bitten, alles Nötige zu veranlassen?«
Sie schlug den Blick nieder, wachsam und nachdenklich, dann hob sie den Kopf. Ihre großen blauen Augen, klar wie der Himmel und um ein geringes unschuldiger, als wenn sie sich gerade erst der Welt geöffnet
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