Der Aufstand Auf Dem Jahrmarkt
wollte. Und der andere - Will Wharton hat es mir gerade erzählt, und er war dabei und sah alles! - der andere ist der Armbrustschütze! Hat seinen Mitknecht vom Pferd geschossen und sitzt hier und trinkt gut gelaunt sein Bier! Der Mann hat einen stärkeren Magen als ich, das ist sicher. ›Schieß ihn vom Pferd!‹ sagt der Herr, und er schießt ihn vom Pferd, scharf und kaltblütig. Unsereiner würde denken, daß seine Hand zu sehr gezittert hätte, um das Ziel zu treffen. Aber nein! Genau zwischen die Schultern und durch bis zur Brust, sagt Will. Und der dort ist der Schütze. Sitzt da und trinkt sein Bier wie jeder Christenmensch.«
Beide starrten ihn mit offenem Mund an, dann wandten sie die Köpfe, um Turstan Fowler zu mustern, der bequem hinter seinem Bierkrug saß, die kräftigen Beine unter dem Tisch von sich gestreckt.
Es war Philip nicht einmal der Gedanke gekommen, die Frage zu stellen, in wessen Diensten der tote Übeltäter gestanden hatte, und vielleicht hätte Wat den Namen nicht gewußt, wenn er danach gefragt hätte.
»Das ist der Mann? Bist du sicher?« fragte Philip.
»Will Wharton ist sicher, er war dabei, als es geschah, und er half den Getöteten aufzuheben und fortzuschaffen.«
»Turstan Fowler? Ivo Corbieres Falkner und Bogenschütze? Und Corbiere befahl ihm zu schießen?«
»Den Namen weiß ich nicht, denn Will wußte ihn auch nicht. Ein adliger Herr und Ritter, der im Kloster zu Gast wohnt. Ein sehr stattlicher, blonder junger Mann, sagt Will. Man kann solch einem Herrn nicht verdenken, daß er einen gerade überführten Mörder und Dieb, der ihm obendrein das Pferd gestohlen und ihn selbst zu Boden gestoßen hatte, als er ihm in den Zügel gefallen war, zur Strecke bringen läßt, und sei es auf offener Straße. Und wenn der Herr befiehlt, tut der Knecht gut daran, auf der Stelle zu gehorchen.
Dennoch ist es bitter, vielleicht Monate und Jahre Seite an Seite mit einem Mann zu arbeiten und dann den Befehl zu hören: ›Schieß ihn tot!‹ Und es tun zu müssen!« Der Servierjunge verdrehte die Augen und ging mit seinen leeren Krügen weiter, während Wat und Philip so tief in grüblerische Gedanken versunken zurückblieben, daß keiner von beiden etwas zu sagen hatte.
Aber konnte dies nicht von Bedeutung für ihn sein? Als Philip die Schenke verließ, blickte er kurz zurück und sah Turstan Fowler und den jungen Stallknecht ruhig beim Bier sitzen und mit einem halben Dutzend anderer nüchterner Gäste plaudern. Sie hatten ihn nicht bemerkt oder zumindest nicht erkannt, und keiner von beiden schien von ernsten oder trüben Gedanken bedrückt zu werden. Immerhin war es seltsam, daß dieser Mann in alle widrigen Episoden verstrickt schien, niemals im Mittelpunkt der Ereignisse, doch immer irgendwo in der Nähe.
Was die Angelegenheit der Flasche Wacholderschnaps betraf, welche Schlüsse sollte man daraus ziehen? Der Mann war, als man ihn aufgelesen hatte, zu betrunken gewesen, um zu sprechen.
Niemand hatte sich nach seiner Flasche umgesehen, sie mochte liegengeblieben sein, vielleicht noch halb voll, wenn das Zeug so stark war, wie Wat sagte, und irgendein Bettler oder Herumtreiber mochte sie aufgelesen und sich zu seinem Glück gratuliert haben. Es gab ein Dutzend Möglichkeiten, die Umstände zu erklären. Und doch blieb es seltsam. Warum sagte Fowler, er wäre betrunken gewesen, als er Wat's Schenke verlassen hatte?
In Wahrheit mußte er stocknüchtern gewesen sein. Und warum war er so kurz nach Philips unrühmlichem Abgang aufgebrochen? Es konnte Zufall sein. Eins mußte man Wat immerhin lassen - er war ein guter Beobachter.
Die winzigen Ungereimtheiten staken wie Widerhaken in Philips Bewußtsein. Es war viel zu spät, um an diesem Abend noch irgend jemanden zu stören. Die Komplet war längst zu Ende, die Mönc he und ihre Gäste und Diener würden alle in ihren Betten liegen und sich zum Schlafengehen anschicken, ausgenommen vielleicht die paar Laienverwalter, die ihre mit dem Jahrmarkt zusammenhängenden Aufgaben beinahe beendet hatten und den Anlaß möglicherweise mit einem bescheidenen Umtrunk feierten. Überdies würden seine Eltern beunruhigt sein und sich über ihn ärgern, da er sich den ganzen Tag herumgetrieben hatte. Zu Hause erwarteten ihn bittere Vorwürfe und zornige Forderungen, seine Abwesenheit zu erklären. Je länger er noch säumte, desto heftiger würde das Unwetter sein, das sich über seinem Kopf entladen sollte.
Trotzdem ging er zur Landstraße,
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