Der Aufstand Der Ungenießbaren
umbringen würden, und ihre Gleichgültigkeit entmutigte ihn zusätzlich und brachte ihn von diesem Vorhaben ab.
So gammelte Milinovi ć vor sich hin.
Er nahm eine angekohlte Kreditkarte vom Teller. Der Name des Besitzers war noch lesbar: Ivo Pavi ć . Milinovi ć schreckte zusammen. Die Hand, in der er die Kreditkarte hielt, begann zu zittern.
Schrecklich, nicht wahr?, sagte Gärtner.
Milinovi ć sah ihn verständnislos an.
Wie bitte?
Als hätten wir deinen Sohn umgebracht, sagte Gärtner.
Sohn?
Ja, deinen Sohn.
Ich verstehe nicht.
Wieso verstehst du das nicht? Wenn du einen Sohn hättest, würden wir den töten. So hat dein Schützling dran glauben müssen.
Milinovi ć begriff. Er verstand, dass er kein zufälliges Opfer dieser Irren war, die Banker und Manager entführten und töteten, er hatte schon in den Zeitungen darüber gelesen und in den Fernsehnachrichten davon gehört, aber er konnte keinen Grund ausmachen, warum ausgerechnet er und Pavi ć zu Opfern auserkoren worden waren. Er hob den Kopf und sah Gärtner in die Augen.
Warum?, fragte er.
Ach, warum, warum, sagte Gärtner. Es ist zu spät für solche Fragen, du hättest dich das fragen sollen, als du anfingst, deiner Beschäftigung nachzugehen. Und wenn du mich so fragst – du bist wirklich ein Stück Scheiße. Nur weil sie ein paar Dosen mit abgelaufenem Verfallsdatum aus einem Itex-Container nehmen wollten, hast du die Polizei auf diese Menschen gehetzt. Du erinnerst dich sicher daran, einer von ihnen hat einen Polizisten getötet – und dann sich selbst.
Milinovi ć erinnerte sich an diesen Vorfall, der sich vor sieben oder acht Jahren ereignet hatte. Man hatte damals viel darüber geschrieben und gesprochen. Der Selbstmörder war ein Kriegsveteran gewesen, und das hatte zusätzlich Öl ins Feuer gegossen. Aber was hatte er damit zu tun.
Ich hatte damit nichts zu tun, sagte er, ich war im Vorstand, das, was da abgelaufen ist, war eine Sache der unteren Etagen und …
Hast du diese Dosen gebraucht?, unterbrach ihn Gärtner. Hast du nicht. Hättest du sie verkaufen können? Hättest du nicht. Hing dein Leben von ihnen ab? Tat es nicht. Und trotzdem hast du wegen ein paar lausiger Konserven, die schon abgelaufen waren, diese Menschen zerstört, und wer weiß wie viele andere noch.
Milinovi ć sah ihn stumm an.
Es hat mich immer interessiert, setzte Gärtner fort, was ihr Banker mit all diesem Geld macht. Verkauft ihr es für noch mehr Geld? Hier, er klaubte etwas Staub vom Boden zusammen, ich verkauf dir das für zwei Hände voll Staub. Abgemacht?
Milinovi ć starrte auf den Boden.
Mal ganz im Ernst, wofür braucht ihr all das Geld, wozu dient es euch? Eines weiß ich ganz bestimmt, essen tut ihr es nicht.
Sechstes Kapitel
Joki ć s Hütte – HUKEIVERBREs – Die Schale der Drachenfrucht – Die Holding – Die Zone – Der Mann, der keine Angst vor dem Aufgehen des Mondes hat
Joki ć s Hütte, ein mit Wellblech bedeckter Bau von dreimal fünf Meter, stand in einem Hainbuchenwald, der von Norden her durch einen steilen Felsen begrenzt war. Vida machte es sich in dem Zweisitzer bequem, der aus der Rückbank eines Bullis entstanden war, und erforschte das von zwei Kerzen beleuchtete Innere der Hütte. Es waren die letzten Tage des Augusts im Jahre 2005. Die Nacht war frisch. Durch die offene Tür hörte man den Wind durch die Blätter rauschen. Aus dem Dunkel meldete sich ein Waldkauz. Joki ć machte in einem gusseisernen Herd Feuer und ließ Wasser aufkochen.
Ich habe Kräuter getrocknet, also wenn du einen Tee möchtest …
Schon gestern Abend habe ich Rauch gerochen, sagte Vida, aber ich dachte, dass ich mir das nur einbilde.
Ja, sagte Joki ć , manche Menschen blicken eben nicht über das eigene Zelt hinaus.
Vida spürte, wie seine Ohren zu glühen begannen.
Ich bin nicht hierhergekommen, um herumzuschnüffeln, sagte er.
Ach so, sagte Joki ć , und deshalb hast du auch in jeden Steinbrunnen geguckt?
Vida betrachtete ihn aufmerksam. Der andere erwiderte seinen Blick in aller Ruhe.
Du hast offenbar nichts Klügeres zu tun als herumzuspionieren, sagte Vida.
Ich spioniere nicht, sagte Joki ć , es interessiert mich nur, wer in mein Haus eingedrungen ist.
Du wirst ja wohl kaum der Besitzer dieses Berges sein?
Ich habe nicht gesagt, dass ich der Besitzer des Berges bin, aber ich bin auf ihm zu Hause, er ist alles, was ich habe. Und was das Klügere angeht, ich hatte bis zum letzten Jahr Klügeres zu tun, bis sie meine
Weitere Kostenlose Bücher