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Der Aufstand Der Ungenießbaren

Der Aufstand Der Ungenießbaren

Titel: Der Aufstand Der Ungenießbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edo Popovic
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Frage geht mir durch den Kopf, seitdem ich das Foto von Fraktalfrau in der Zeitung gesehen habe. Auch in der E-Mail, die ich heute Morgen erhalten habe, bekam ich keine Antwort darauf.
    SCHEISSE, ALTER FREUND, NICHT WAHR? DICH HABEN SIE AUCH VERSCHLUCKT UND GEGEN UNS GEDREHT. SIE ZIEHEN BUCHSTÄBLICH AUS ALLEM IHREN NUTZEN. SO AUCH AUS UNS, DIE WIR UNS IMMER NOCH AUSSERHALB IHRES SYSTEMS UND IHRER GESETZE AUFHALTEN. GEH INS MUSEUM DES VERBRECHENS, DORT WIRST DU
SEHEN, WAS WIR MEINEN. WIR HÖREN, DASS MAN IN DER HOLDING DEIN FOTO ZUM VERKAUF ANBIETET. BEKOMMST DU ETWA TANTIEMEN? HA, HA, HA! WIR HABEN EINEN NEUEN WEG GEWÄHLT. WIR SUCHEN ETWAS, DAS MAN NICHT IN EIN GESCHÄFT, EIN SPEKTAKEL, EINE SCHLAGZEILE VERWANDELN KANN. EXISTIERT ETWAS DERGLEICHEN ÜBERHAUPT, SO WIRST DU FRAGEN. WIR GLAUBEN, DASS ES EXISTIERT.
    IN ALLER FREUNDSCHAFT: BEMÜH DICH NICHT, DU WIRST UNS NICHT FINDEN. DU WARST UNS GANZ NAH, GESTERN SIND WIR BEINAHE ÜBER DICH GESTOLPERT, WIR HABEN DICH NICHT SO SCHNELL HIER ERWARTET. ALS WIR DICH SAHEN, HÜPFTE UNSER HERZ. DOCH DAS WAR GESTERN. UND GESTERN WIRD SICH NICHT MEHR WIEDERHOLEN. NA, WAS SAGST DU DAZU?
    Ich sage, dass du deinen Caps Lock ausschalten sollst, du Idiot.
    Ich habe auf die E-Mail gestarrt. Wir, wir, wir … Wann sind die beiden bloß zusammengeschmolzen? Was für eine dumme E-Mail. Gärtner hatte nie Stil. Er sagt, sie haben einen neuen Weg gewählt und suchen etwas, aus dem man keinen Profit herausquetschen kann. Sehr gut, ganz gewöhnliche Angst in Philosophie verpacken. Es wird wohl eher so sein, dass sie auf der Flucht vor dem Kardinal sind. Wie ich im Gefängnis gehört habe, hat sich Gärtner bei seinen Spielchen ein wenig vergessen und einen Priester erschossen. Der junge Mann war in das Hanshan gekommen, um sich dort mit ein paar Chinesinnen zu vergnügen, und da hat er sich ihn geschnappt. Ein grässlicher Fehler, wie sich herausstellte. Mit der Kirche ist nicht zu spaßen, sie verzeiht nicht, sie erhebt Ansprüche auf die gesamte Erdkugel, und was am fatalsten ist – sie hat selbst in der hintersten Provinz ihre Agenten. Und deshalb sind die beiden aus der Zone abgehauen und nicht wegen irgendeines neuen Weges. Das, was sie angeblich suchen, befindet sich schließlich dort, von wo sie geflohen sind. Unmengen ausgeplünderter und ausrangierter Menschen und Dinge, die niemand braucht und die man durch keine Magie der Welt in Profit und Spektakel verwandeln kann.
    Warum haben sie mir überhaupt geschrieben?
    Um mir mitzuteilen, dass man mein Foto wie ein Souvenir verkauft. Es stimmt. Die Souvenirläden der Holding verkaufen mein Portrait, einen stilisierten Steckbrief der Polizei. Nebenbei gesagt, es handelt sich um eine Fälschung, denn die Polizei hat nie einen Steckbrief von mir herausgegeben, da sie keine Ahnung von meiner Identität hatte, bis ich mich gestellt habe. Das Gefängnis, in dem ich war, verwandeln sie in eine goldene Gans, es wird in ein Hotel umgestaltet, die Zimmer sind die Zellen, in denen bekannte Kriegsverbrecher, Massenmörder, Pädophile, Terroristen und vergleichbare Typen gesessen haben.
    Oder um mir mitzuteilen, dass sie mich beobachten! Der Große Gärtner is watching me.
    Dämlich und nicht gerade originell.
    Oder sie wollten mir das Museum des Verbrechens ans Herz legen.
    Das Museum des Verbrechens ist keine besondere Neuigkeit in dieser Gegend. In jeder Broschüre liest man, dass sich zehn Kilometer flussaufwärts von Krems die Ruinen des Schlosses Dürnstein befinden, in dessen Keller 1192 Richard Löwenherz eingekerkert war, und Horden von Touristen besichtigen tagtäglich den Ort seiner Gefangenschaft. Doch Löwenherz war weder dort gelandet, weil er 1189 in London die Juden abschlachten ließ, noch weil er 1191 im Heiligen Land dreitausend gefangene Angehörige von Saladins Herr liquidierte, darunter viele Kinder und Frauen. Er landete dort, weil er sich – genau wie Gärtner – verrechnet hatte. Er machte den falschen Mann einen Kopf kürzer. Bei seiner Rückkehr von einem Kreuzzug, kurz vor Weihnachten 1192, schnappte ihn sich Leopold V, der Onkel des getöteten Conrad von Montferrato, und warf ihn in den Kerker. Die Kirche hatte damals – genauso wie heute – viele Sympathien für Verbrechen und Verbrecher und ließ anstelle des Mörders Leopold V exkommunizieren. Doch das half nichts, Leopold war die Mitgliedschaft in Gottes Herde schnuppe, und so saß Löwenherz zwei volle Jahre. Am Ende wurde er entlassen, aber nicht etwa deshalb,

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