Der Aufstand Der Ungenießbaren
Markt zu gehen, einfache Mahlzeiten zuzubereiten, das Geschirr abzuwaschen, die Wohnung aufzuräumen, mit seinem Sohn zu sprechen, der ihm im Haushalt half. Und dann geschah etwas, was Vidas Leben auf den Kopf stellte, so dass auch er plötzlich auf dem Kopf stand, wie so viele Dinge um ihn herum auch. Eines Morgens traf er im Treppenhaus einen Nachbarn, der genau wie er Kriegsveteran ohne Arbeit war und der eine volle Einkaufstüte schleppte. Vida grüßte ihn und fragte:
Oho, Herr Nachbar, wohl im Lotto gewonnen?
Und dieser erwiderte:
Ja, bei diesem Lotto gewinnt jeder, der mitmacht.
Dann erzählte er ihm von den Dunklen Kapuzen und den Unmengen von Lebensmitteln in den Containern rund um die Einkaufszentren und Supermärkte, die nur darauf warteten, eingesammelt zu werden von den netten Menschen in dieser Gruppe, die aus armen, aber heiteren Mitgliedern bestand, von ihren gemeinsamen Ausflügen und Sportveranstaltungen …
Vida konnte sich nur schwer vorstellen, in einem Container herumzuwühlen, der bloße Gedanke daran war ihm unangenehm. Er wurde rot, er stöhnte auf und winkte mit der Hand ab, das war doch menschenunwürdig, nur Zigeuner würden so etwas machen, Zigeuner und völlig Verzweifelte, aber dann ging ihm auf, dass auch er nichts anderes als ein völlig Verzweifelter war, und so entschloss er sich, gemeinsam mit dem Nachbarn in Aktion zu treten – wie dieser das Sammeln von Lebensmitteln genannt hatte. Die Gruppe bestand aus Personen seiner Generation, anständigen Familienmenschen, und bei der Rückkehr nach Hause mit einer Tüte voller Lebensmittel dachte er, dass ihm all das doch nicht so unangenehm war, eigentlich gar nicht, sie hatten ja nur Dinge mitgenommen, die auf dem Müll gelandet wären, als Nahrung für Ratten, Flussmöwen und Würmer, und außerdem war die Gesellschaft ganz erträglich gewesen, zum Teufel noch mal, er hatte richtig Spaß gehabt, vor allem als er an die Security-Männer geraten war, die sie vom Hinterhof des Einkaufszentrums vertreiben wollten. Vida hätte schwer Lust gehabt, einige Nasen einzuschlagen, aber die Jungs waren so weise, sich schnell zurückzuziehen und die Polizei zu rufen, doch die Polizisten waren noch weiser, sie fuhren nur an ihnen vorbei und kümmerten sich um ihre eigenen Angelegenheiten.
Das alles erzählte er später seiner Frau und zeigte ihr die Lebensmittel, die er mitgebracht hatte, und sie nickte lächelnd und wohlwollend, sie hatte natürlich schon von den Dunklen Kapuzen gehört, die Familien einiger Frauen, die in der gleichen Fabrik wie sie arbeiteten, hielten sich schon seit längerer Zeit so über Wasser, sie war sogar selbst einige Male mit ihnen zum kostenlosen Shopping gegangen, aber sie hatte sich nicht getraut, ihm davon zu erzählen, und noch weniger, ihm vorzuschlagen, sich diesen Aktivitäten anzuschließen, sie hatte geglaubt, dass er wütend werden würde, denn sie wusste, wie schwer und eigenwillig er war, es war fantastisch, dass er es jetzt selbst entdeckt hatte, und natürlich würde auch sie immer, wenn ihre Arbeit es zulassen würde, mit ihm losziehen.
Und Vida kam es plötzlich so vor, als hätte er in den Supermarktcontainern die Antworten auf die Fragen gefunden, die ihn bisher gequält hatten, und die Dunklen Kapuzen erschienen ihm nun als Kameraden, wie er sie nur im Krieg gehabt hatte.
Neuntes Kapitel
Vida und Joki ć unterhalten sich über den Krieg – Die Stadt der Massakrierten – Einzelzellen aus menschlicher Haut
Einige Tage sind seit Vidas Unfall vergangen. Sein Sprunggelenk tut immer noch weh, er muss sich auf einen Stock stützen. Er schöpft mit seinen Händen Wasser aus einem großen Steinbrunnen, er wäscht sich und gießt sich Wasser über Kopf und Nacken, und Joki ć steht neben ihm, zeigt in Richtung der felsigen Gipfel und Klippen, der sattgrünen Hänge und Hochebenen, auf denen Felsbrocken und Haine mit verkrüppelten Bäumchen verstreut sind. Er sagt:
Ich könnte mich hier monatelang, sogar jahrelang verstecken, ohne dass mich jemand findet.
Na und, sagt Vida und gießt sich Wasser in seinen Schlauch. Er beobachtet einen Teichmolch, der vom anderen Ende des Brunnens aus den Wasserpflanzen her-
überspäht.
Schon gut, nicht wichtig.
Etwas später setzen sie sich in den spärlichen Schatten eines Baums an einem Hang mit Blick auf die Südseite des Velebits, auf die felsige Bukovica mit einigen wenigen grünen Oasen und roten Flecken aus Hausdächern, auf das Meer und die Inseln. Ohne
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