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Der Aufstand

Der Aufstand

Titel: Der Aufstand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean McCabe
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Schmerz vor, den sie empfinden würde, wenn die Spritze in ihren Arm drang. Die Todesqualen, während das Gift in ihrem Körper wütete – zwanzig Sekunden unbeschreiblicher Schmerzen, die ihr länger erscheinen würden als hundert Jahre auf Erden. Vergleichbare Qualen gab es nicht. Die Schrecken, die Menschen im Lauf der Jahrhunderte ihresgleichen – vermeintlichen Hexen, Märtyrern und Folteropfern – angetan hatten, waren nichts dagegen.
    Sie erschauderte. Joel bewegte sich neben ihr, murmelte ihren Namen und wälzte sich herum, noch immer fest schlafend. Behutsam befreite sie sich aus seinen Armen und trat nackt ins Mondlicht. Sie hob die über den Teppich verstreuten Kleider auf und zog sich schnell und geräuschlos an.
    Das vertraute alte Prickeln überkam sie. Sie musste Nahrung zu sich nehmen, und zwar bald. Als sie zu Joels reglosem Körper unter den Laken zurückschaute, spürte sie für ein paar berauschende Augenblicke nichts weiter als das Blut, das im Schlaf durch seine Adern pulsierte. Sein intensiver Geruch stieg ihr in die Nase, und sie glaubte schon fast, seine Wärme auf ihrer Zunge zu spüren, während es durch ihre Kehle rann. Ihr Puls beschleunigte sich, während eine Macht, die stärker war als sie selbst, sie zurück zum Bett zu treiben drohte. Aber diesmal nicht, um ihn zu lieben, sondern um ihn zu beißen. Ihre Eckzähne begannen sich schon in ihrem Mund zu recken.
    Das war die gefährliche Zeit, in der niemand vor ihr sicher war.
    Raus hier, Alex. Und zwar sofort. Das kannst du ihm nicht antun. Nicht ihm.
    Sie riss sich los. Vom Balkon blickte sie auf die schmale Straße hinab, die das Hotel vom Rand des Kanals trennte. Sie schaute erst nach links und dann nach rechts, sah jedoch niemanden. Aber irgendwo da unten musste jemand sein, und dieser Jemand gehörte ihr.
    Sie schwang sich über die steinerne Brüstung, sprang die sechs Meter bis zum Boden hinab und landete geräuschlos auf dem Pflaster.
    Es war Zeit zum Jagen.
     
    Wallingford
    2.06  Uhr
    D ec lag auf der Couch in Matts Wohnung. Auf dem Tisch neben ihm stand noch ein Teller mit den Resten eines Fertiggerichts. Dec hatte sich am Abend zuvor mit größter Mühe aufraffen können, sich in die Küche zu schleppen und das Essen in der Mikrowelle zu erhitzen, aber dann keinen rechten Appetit gehabt. Er wusste nicht mehr, wie lange er auf den Fernseher gestarrt hatte, ohne dass die Bilder für ihn einen Sinn ergeben hätten. Irgendein Film mit jeder Menge Verfolgungsjagden war gelaufen, aber er hatte ihm nicht wirklich folgen können. Wie im Fieber war ihm abwechselnd heiß und kalt gewesen; hatte er es eben noch vor Hitze kaum ausgehalten, fröstelte ihn im nächsten Augenblick auch schon am ganzen Körper.
    Er hatte nur eine sehr vage Vorstellung davon, warum er hier war. In seinem Gedächtnis herrschte das totale Chaos. Zudem wollte es ihm einfach nicht gelingen, es sich auf der Couch bequem zu machen; er konnte sich kaum bewegen, ohne dass ihm übel wurde, und jede noch so kleine Regung rief einen stechenden Schmerz in seinem Hals hervor. Er berührte die Stelle, von der die Schmerzen ausgingen, mit den Fingern, zog sie aber gleich wieder erschrocken zurück, als er die erhöhten und mit getrocknetem Blut überkrusteten kleinen Wunden ertastete. Was hatte er sich da nur angetan?
    Er spürte ein seltsames Gefühl in der Lendengegend, pulsierend und prickelnd – bis er merkte, dass es nur sein Handy war, das in der Hosentasche vibrierte. Er holte es erschöpft heraus und hielt es ans Ohr.
    Die Stimme seines Bruders. «Verdammt, wo bist du? Ma dreht durch vor Sorge, und Dad steht kurz vorm Herzanfall. Warum bist du nicht heimgekommen?»
    «Hallo, Cormac», lallte Dec ins Telefon.
    «Was ist denn los mit dir, Bruder?»
    «Gar nichts», log Dec.
    «Sprich lauter, ich kann dich kaum hören.»
    «Sag ihnen, dass es mir gutgeht. Ich will nur ein Weilchen allein sein.»
    «Wo bist du?», fragte Cormac erneut.
    «Versprich mir erst, dass du es nicht verrätst», murmelte Dec.
    «Das weißt du doch.»
    «Ich bin in Matts Wohnung», sagte Dec, bevor es plötzlich still wurde. Er schaute auf das Display und sah, dass der Akku leer war. Er fluchte leise vor sich hin, ließ das Handy aus der Hand fallen und schloss die Augen.
     
    Er wusste nicht, wie lange er geschlafen hatte, als ein Geräusch ihn weckte.
    Jemand kratzte an seinem Fenster. Mit größter Mühe stützte er sich auf die Ellbogen und schaute hinüber.
    Die Vorhänge waren

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