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Der Aufstand

Der Aufstand

Titel: Der Aufstand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean McCabe
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bisschen viel
, dachte sie – und machte sich mit letzter Kraft aus dem Staub.

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    Kapitel 30
    Oxford
    0.50  Uhr
    D er Regen wurde immer stärker, während Mickey Thompson durch das leere Stadtzentrum ging, aber es machte ihm nichts aus. Noch immer zauberte die Atmosphäre der Party, die er gerade verlassen hatte, ein Lächeln auf sein Gesicht. Doch der Hauptgrund für seinen federnden Gang, mit dem er am Carfax Tower vorbei über das glitschige Pflaster der High Street nach Hause ging, war die Erinnerung an Sally Baker.
    Schon bei ihrer ersten Begegnung in der Mathematik-Abteilung der Unibibliothek hatte er sich in sie verknallt, doch dann hatte er volle drei Semester lang nicht den Mut aufgebracht, sie zu fragen, ob sie mit ihm ausgehen wolle. An diesem Abend aber hatte er es endlich getan – und sie hatte ja gesagt.
    Mickey ballte im Gehen eine Faust.
Yes!
Sie hatten sich für morgen Abend zum Essen verabredet. Dann fiel ihm wieder ein, wie spät es war. Nicht morgen, sondern heute Abend. Noch besser. Er fragte sich, wohin er mit ihr gehen sollte. Allzu viel konnte er sich von seinem Graduiertenstipendium nicht leisten, aber irgendwie musste er sie beeindrucken. Vielleicht in die nette kleine französische Brasserie an der Little Clarendon Street? Oder war das zu eindeutig? Mexikanisch? Vielleicht doch zu scharf.
    Das waren die glücklichen Sorgen, die ihn erfüllten, während er summend durch die High Street ging, bis er die gepflasterte Gasse erreichte, die sich an der Radcliffe Camera vorbeiwand.
    Plötzlich erstarrte Mickey Thompson. Er blieb stehen und drehte sich sehr langsam um.
    Nein, er musste sich das eingebildet haben. Aber er hätte schwören können, dass jemand hinter ihm gewesen war.
    Er zuckte mit den Achseln und ging weiter durch den Regen.
    Das kommt wohl vom Wein.
    Er ging weiter, bis er am kreisrunden Gebäude der Radcliffe Camera angelangt war.
    Moment mal. Da war wirklich jemand.
    Wenige Meter hinter ihm waren deutlich gedämpfte Schritte zu hören. Er wandte sich erneut um, und diesmal sah er die Gestalt.
    Sie stand am Rand des Bereichs, den eine Natriumlampe mit ihrem diffusen bernsteingelben Licht erfüllte. Der Körper des großen, durch und durch schwarz gekleideten Mannes schien vollständig mit der Dunkelheit zu verschmelzen. Doch Mickey sah sein langes, schmales Gesicht, und er sah auch, dass der Mann ihn anschaute. In seinem Auge lag ein seltsames Glitzern. War das ein Lächeln auf seinen schmalen Lippen?
    Mickey ging nun schneller. Ein Blick zurück durch den feuchten Nebel verriet ihm, dass der Mann ihm noch immer in gleichbleibendem Abstand folgte. Sollte er sich umdrehen und ihn ansprechen? Und falls der Kerl vorhatte, ihn auszurauben, konnte er dann das Schlimmste verhindern, indem er ihm freiwillig Geld anbot? Aber irgendetwas an dem Mann sagte Mickey, dass er kein Straßenräuber war. Er wollte etwas anderes. Aber was?
    Mickey hielt es nicht mehr aus und rannte los. Angst schnürte ihm die Kehle zu, und seine Schritte hallten von den Universitätsgebäuden wider, als er um die Ecke bog und durch die New College Lane lief. Vor ihm hing der gotische Bogen der Bridge of Sighs finster über der schmalen Straße, und die Laternen spiegelten sich in ihren regennassen Bleiglasfenstern. Nur noch wenige hundert Meter bis zur Tür der Wohnung, die Mickey mit zwei anderen Mathematik-Studenten im höheren Semester teilte. Im Rennen fummelte er nach seinen Schlüsseln – und ließ sie fallen.
    Als er fluchend das finstere Pflaster nach ihnen absuchte, merkte er, dass der Mann verschwunden war. Er stieß erleichtert die Luft aus.
    «Du Blödmann», fluchte er vor sich hin. «Was ist bloß in dich gefahren?»
    Doch dann überkam ihn ein eiskaltes Gefühl der Angst. Es begann an seinen Zehen und breitete sich rasch durch seinen ganzen Körper aus, doch es kam nicht von seiner feuchten Kleidung. Es war das schreckliche Gefühl, beobachtet zu werden. Beobachtet wie von einem Raubtier.
    Er blickte auf, voller Angst vor dem, was er zu sehen bekommen würde.
    Es war der Mann in Schwarz. Wie eingerahmt stand er im kunstvoll verzierten Mittelfenster der Brücke, drei Meter über seinem Kopf.
    Mickey wich entsetzt zurück.
    Unter dem Geklirr splitternden Glases sprang der Mann aus dem Fenster, bevor er wie eine Katze auf dem Pflaster vor Mickey landete.
    Und noch bevor Mickey Thompson sich umdrehen und davonlaufen, aufschreien oder sich vor Angst in die Hose machen

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