Der Aufstand
ignorierte ihn aber. «Sie weist Symptome von Anämie auf. Ihr Puls ist schnell und ein wenig ungleichmäßig. Ihre Fingernägel zeigen Anzeichen von Eisenmangel. Sie ist matt und hat Kopfschmerzen. Hat sich an ihrem Menstruationszyklus etwas verändert?»
«Nicht, dass ich wüsste, aber über so etwas sprechen wir nicht.»
Er nickte. «Ich verschreibe ihr Eisentabletten, das sollte ihr wieder auf die Beine helfen. Bis dahin müssen Sie sie dazu bringen, viel rotes Fleisch zu essen und vielleicht etwas Leber.»
«Ich schlucke keine verdammten Eisentabletten, du altes Stück Scheiße», zischte Kate unter ihrer Bettdecke hervor. «Und wenn ich Leber esse, dann höchstens deine, du Mistkerl.»
Im Zimmer herrschte betretenes Schweigen. Dr. Andrews hatte in seinen vielen Jahren als Arzt schon vieles erlebt, aber etwas an der Stimme des Mädchens und der Art, wie es ihn über die Bettdecke hinweg anstarrte, jagte ihm einen kalten Schauder über den Rücken. Er kannte dieses Kind schon sein ganzes Leben lang, und zwar als freundliches, charmantes und warmherziges Mädchen. Nun aber waren ihre Augen hart und eiskalt.
Gillian Hawthorne explodierte regelrecht. Sie trat ans Bett und schüttelte Kate heftig. «Du entschuldigst dich auf der Stelle! Hast du mich gehört?»
Dr. Andrews nahm ihren Arm. «Gillian –»
«Ich weiß, was los ist. Daran ist nur dieser junge Maddon schuld.
Er
hat dir das angetan.»
«Beruhigen Sie sich, Gillian. Sie braucht jetzt ihre Ruhe. Wir lassen sie besser allein.»
Nachdenklich schloss der Arzt die Tür von Kates Zimmer und führte ihre Mutter die Treppe hinab. Gillian war hochrot im Gesicht und äußerst erregt, als sie in der Küche Tee für sie kochte. Der Arzt zog einen Stuhl unter dem Kieferntisch hervor und runzelte die Stirn. Er holte ein Fläschchen mit Pillen aus der Tasche und schraubte den Deckel ab.
«Was ist das?», fragte sie, während sie ihm eine Tasse Tee reichte.
«Das ist nicht für sie, sondern für mich.» Er warf zwei Tabletten ein und spülte sie hinunter.
«Geht es Ihnen nicht gut, Bill?»
Er lächelte. «Ich bin manchmal ein bisschen müde. Das Herz. Aber sonst geht’s mir gut. Reden wir über Kate. Woher stammen diese Wunden an ihrem Hals?»
«Keine Ahnung. Ich dachte, das wären Knutschflecke. Weiß der Herr –»
«Wenn sie keine Knutschflecke von einem Rottweiler bekommen hat, müssen die Wunden von was anderem stammen. Die machen mir wirklich Sorgen. Hat Kate sich in letzter Zeit öfter mit jemandem getroffen?»
Gillian schnaubte verächtlich. «Sie meinen Jungs? Nur mit diesem degenerierten Taugenichts von nebenan.» Sie berichtete ihm, was sie von Decs Verhaftung wusste, von den Drogen und dem Besuch durch die Polizei am Morgen danach.
«Das hätten Sie mir früher erzählen müssen», meinte der Doktor. «Abgesehen von den körperlichen Symptomen lässt Kates Verhalten den Schluss zu, dass sie ernsthaft traumatisiert ist. Dass das mit Drogen zusammenhängen könnte, ist natürlich nicht auszuschließen. Wir müssen uns aber auch mit der Möglichkeit auseinandersetzen, dass sie womöglich während einer Verabredung vergewaltigt worden sein könnte. Das würde vielleicht die Wundmale an ihrem Hals erklären. Was darauf hinausläuft, dass ich sie vollständig untersuchen muss.»
«Sie ist nicht vergewaltigt worden, Bill.»
«Woher wissen Sie das?»
«Ich weiß es eben.»
Er schüttelte den Kopf. «Tut mir leid, Gillian, aber das genügt nicht. Und die Polizei muss ich leider auch einschalten.»
«Bitte nicht, Bill. Ich kann nicht zulassen, dass die Polizei sich da einmischt. Meine Familie –»
«Ich fürchte, uns bleibt keine andere Wahl, Gillian.»
«Hören Sie, Bill, bitte. Können wir nicht einfach erst die erforderlichen Untersuchungen machen, um herauszufinden, was ihr fehlt, bevor wir –»
«Einen Skandal auslösen?»
«Ich will nur das Beste für Kate», erklärte sie entschlossen. «Und deshalb möchte ich nicht, dass das öffentlich wird, bevor wir nicht ganz sicher sind.»
Dr. Andrews warf ihr einen langen, strengen Blick zu. «Also gut. Dann lasse ich sie so schnell wie möglich ins Krankenhaus bringen, um der Sache auf den Grund zu gehen.»
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Kapitel 37
A lex war ungeduldig in ihrem Wohnzimmer auf und ab getigert, als kurz vor neun Uhr endlich ihr Telefon läutete. Sie hatte schon abgehoben, bevor der erste Klingelton verklungen war.
Harry Rumble hatte sich sehr angespannt angehört. «Ich
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