Der Aufstand
über die Brandursache. Die italienische Polizei hat sich noch nicht zu Mutmaßungen geäußert, dass es sich hier womöglich nicht um eine Explosion chemischer Stoffe, sondern um einen Terrorangriff handeln könnte. Gut unterrichteten Quellen zufolge könnten in der Vergangenheit militante Aktivisten Drohungen gegen die Firma ausgesprochen haben, trotz der Beteuerungen der Firmenleitung, dass hier niemals Tierversuche stattgefunden hätten …»
Rumble hatte genug gesehen. Er schnappte sich eine Fernbedienung und stellte an allen Monitoren zugleich den Ton ab. Im Raum herrschte betretenes Schweigen. Wenige Sekunden später redeten alle gleichzeitig voller Panik drauflos, als auch der Allerletzte begriffen hatte, welch weitreichende Folgen das, was sie soeben gesehen hatten, nach sich ziehen konnte.
Rumble schob den Unterkiefer vor und stieß langsam den Atem aus. «Wo ist Slade?», fragte er laut.
«Hier, Sir.» Ein gedrungener und ziemlich korpulenter Vampir mit strähnigem Haar und ungleichmäßigem Bart drängte sich von hinten durch die Menge. Das Hemd hing ihm aus der Hose und spannte über seinem mächtigen Bauch. Auch wenn er nicht danach aussah: Doug Slade war eines der wichtigsten Rädchen im Getriebe der VIA , denn er koordinierte die Verteilung von Nosferol, Solazal und Vambloc an alle Agenten der Organisation. Sein Team sorgte auch dafür, dass Solazal über das globale verbandseigene Netzwerk von Vampirärzten und -apothekern weltweit an Tausende von Vampiren ausgeliefert wurde.
«Doug, wie sieht es mit unseren Vorräten aus?»
Slade zuckte die Achseln. «Wer auch immer das war, hat ein optimales Timing bewiesen, weil die Fabrik ganz kurz davor stand, eine größere Bestellung auszuliefern. Die Vorratslage ist schlecht bis hoffnungslos, vor allem an der Nosferol-Front.»
«Was verstehen Sie unter hoffnungslos?»
«Wir haben kaum mehr was auf Lager.»
Alex versuchte, sich zu erinnern, wie viel Nosferol sie noch in ihrem privaten Vorrat hatte und wie viele präparierte Schuss Munition noch in ihrer Waffenkammer. Dann schob sie die Hand in die Tasche ihrer Jeans. Ein Röhrchen Solazal, noch zu drei Vierteln voll. Genug für ein paar Tage. Zwei weitere Röhrchen in ihrer Nachttischschublade – oder war es nur noch eines? Wie alle anderen hatte auch sie auf eine neue Lieferung gewartet.
Wie vor den Kopf geschlagen, sprach Kelby aus, was alle dachten: «Wie kann es sein, dass das schon mitten in der Nacht passiert ist und wir erst aus den Medien der Menschen davon erfahren? Warum hat uns keiner unserer eigenen Leute informiert?»
«Weil keiner mehr am Leben ist», antwortete Alex.
«Wie lange dauert es, bis wir die Produktion wieder aufnehmen können?», fragte Rumble Slade.
Slade plusterte seine behaarten Wangen auf und stieß die Luft aus. «Nun, selbst wenn die Formeln aus dem Hauptrechner gelöscht worden sein sollten, bräuchten wir nur einen Tropfen, um das Zeug zu analysieren und wieder von vorn anzufangen. Das ist nicht das Problem. Aber bis der Nachschub wieder normal fließt, vergehen Wochen oder gar Monate.»
Rumble explodierte. «Monate! Ich muss herausfinden, was hier passiert ist!»
«Wer könnte so etwas getan haben?», fragte Minto mit Angst in den Augen.
«Die Traditionalisten», sagte Alex. «Genau, wie ich es Ihnen gesagt habe, Harry.»
Alle drehten sich um. Slade glotzte Alex an. «Die wer?»
«Das können Sie doch gar nicht mit Sicherheit sagen», meinte Rumble.
«Nicht? Dann wollen wir doch mal sehen.» Alex war bereits auf dem Weg zurück in sein Büro. Sie schnappte sich den USB -Stick und kam in die Einsatzzentrale zurückgerannt. Dann schloss sie den Stick ans Computernetzwerk an und tippte ein paar Tastenbefehle ein, um das Bild auf die großen Wandbildschirme umzuleiten. «Harry, stellen Sie den Ton wieder an», rief sie zu ihm hinüber. «Und jetzt alle still.»
Das panische Stimmengewirr erstarb, als sich die versammelten Vampire den Monitoren zuwandten. Selbst Garrett war zu angespannt, um die Stirn darüber zu runzeln, dass Alex zu Rumble nicht «Sir» gesagt hatte. Ein paar atemlose Momente lang waren die Bildschirme dunkel, bevor sie plötzlich angingen.
Aus einem tiefen Ledersessel in einem abgedunkelten Raum starrte ein Mann auf sie hinab. Aber kein Mensch, sondern ein Vampir – das sagten ihnen ihre Instinkte sofort. Obwohl sein Kopf halb im Schatten lag, war sein glattes Gesicht mit der Adlernase ebenso klar zu erkennen wie sein von der hohen
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