Der Aufstand
ihr einen vernichtenden Blick zu. «Sparen Sie sich diesen verächtlichen Tonfall, Agent Bishop. Ein wenig mehr Respekt darf man von Ihnen ja wohl erwarten.»
«Wie sich herausstellte», fuhr Rumble fort, «haben die in Brüssel im selben Augenblick, als unser Freund Stone uns hier seine Nachricht verkündet hat, eine E-Mail mit demselben Videoclip erhalten. Und bevor Sie fragen – die Mail ist natürlich nicht zurückverfolgbar.»
«Und wie haben sie es aufgenommen?»
«Wollen Sie die offizielle Version hören? Stone ist nur ein kleiner Wichtigtuer, und wir werden innerhalb kürzester Zeit ein neues Pharmalabor aufgebaut haben. Kein Grund zur Sorge also.»
Alex nickte. «Und in Wirklichkeit?»
«Denen geht der Arsch auf Grundeis», sagte Rumble. «Sonst hätten sie wohl kaum eine Generalversammlung einberufen, heute in drei Tagen in Brüssel. Lerouge wird dabei sein, Achmed Hassan, Cornelius Borowczyk und all die anderen Oberbosse. Und den Vorsitz führt kein Geringerer als die Vampirin. Meine Gegenwart wird gewünscht, und ich möchte, dass Sie mich dorthin begleiten.»
«Ich?»
Garrett trat an den Schreibtisch und deutete auf Alex. «Bei allem Respekt, Sir, aber Sie spielen doch wohl nicht ernsthaft mit dem Gedanken, die zu einem Treffen mit diesen Leuten mitzunehmen! Sie ist geradezu eine tickende Zeitbombe und außerdem vom Dienstrang her viel zu weit unten angesiedelt.»
Ausnahmsweise einmal widersprach Alex ihm nicht sofort. «Muss ich da wirklich mit, Harry? Bei Veranstaltungen dieser Art sind doch sonst auch nie Leute vom Außendienst dabei.»
«Sie sind meine Spitzenagentin», beteuerte Rumble. «Und außerdem ist das keine normale Versammlung.» Dann drehte er sich zu Garrett um, der vor Entrüstung zitterte. «Sie kommen auch mit, Xavier.»
Garrett lächelte selbstzufrieden und gab auf der Stelle nach.
Als Alex Rumbles Büro verließ und auf dem Weg nach draußen war, hatte sie andere Dinge im Kopf als Konferenzen mit einem Haufen von Wichtigtuern und Bürokraten, die ohnehin nur Zeitverschwendung waren. Sie musste an den jungen Dec Maddon denken und an seine wilde Geschichte von einem großen Haus, in dem ein Mädchen von Vampiren abgeschlachtet worden war. Auf dem Weg zu ihrem Jaguar kramte sie ihr Handy hervor.
«Polizei von Thames Valley», meldete sich eine fröhliche Frauenstimme.
«Würden Sie mich bitte mit Detective Inspector Solomon verbinden, falls er gerade im Hause ist?», bat Alex.
«Warten Sie bitte einen Augenblick.» Pause. «Er ist leider nicht an seinem Schreibtisch. Darf ich fragen, mit wem ich spreche?»
Doch Alex hatte bereits das Telefon zugeklappt und war in ihren Wagen gestiegen.
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Kapitel 40
Lavender Close, Wallingford
12.16 Uhr
G illian Hawthorne stellte ihren Rover 75 auf der Einfahrt ab und wollte gerade ihre Sainsbury-Einkaufstüten über den Fußweg zur Hintertür tragen, wie sie es immer tat.
«Mrs. Hawthorne?»
Gillian drehte sich um. Verärgert stieß sie die Luft aus, als sie Dec Maddon vom Nachbarhaus auf sich zukommen sah.
«Was willst
du
denn?», blaffte sie. «Solltest du nicht eigentlich im Gefängnis sitzen?»
«Ich möchte Kate sehen», sagte er.
«Tatsächlich? Vergiss es.»
«Geht es ihr gut?»
«Das geht dich gar nichts an.» Gillian wandte sich von ihm ab und setzte ihren Weg fort.
«Ich muss sie unbedingt sehen», schrie er ihr nach.
Sie wirbelte herum. «Du hast schon genug Schaden angerichtet. Lass die Finger von meiner Tochter, sonst sorge ich dafür, dass die Polizei noch einmal zu dir kommt. Und vergiss nicht, dass Kates Vater Anwalt ist.»
«
Bitte
, Mrs. Hawthorne –»
«Hau ab.» Gillian stampfte um das Haus herum und ließ ihn stehen. Als sie den Schlüssel in der Hintertür drehte, schaute sie zum Fenster von Kates Zimmer hinauf. Die Vorhänge waren noch immer fest zugezogen.
Sie stellte die Einkaufstüten auf die Küchenarbeitsplatte, schaltete den Herd ein, öffnete die Packung mit dem Filetsteak und schnitt etwas Brot auf. Als das Steak-Sandwich fertig war, stellte sie den Teller zusammen mit einem Glas Milch auf ein Tablett und trug es die Treppe hoch. Sie balancierte das Tablett auf einer Hand, drückte die Klinke von Kates Tür und trat ein.
Ihre Tochter lag noch immer im Bett, auf der Seite mit dem Rücken zur Tür und die Bettdecke fest um den Hals geschlungen. Es war dunkel, die Luft im Zimmer abgestanden. Gillian hätte nicht übel Lust gehabt, die Vorhänge zurückzuziehen
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