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Der Auftrag

Der Auftrag

Titel: Der Auftrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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die Äxte wetzen, um deinen Pfahl zu spitzen. Werde mich mal umhören, wer hier dein Nachfolger werden soll.«
    »Mache dir nur keine Hoffnungen, Tasman. Meine Mutter wird älter als die Eichen in der Wolkenschlucht.« Er zwinkerte ihm zu. »Wenn sie auf die achtzig zugeht, nimmt sie dich vielleicht.«
    »Sieh dich nur vor«, grinste Tasman beim Hinausgehen. »Wenn ich sie nicht kriege, nehme ich dich dafür.«
    »Mach mir keine Versprechungen.« Rastafan warf ihm eine Kusshand nach.
    »In Margan werden sie dich in dieser roten Pelle ohnehin für ein Weib halten.«
    »Besser ein Weib, als von einem Kürbiskopf gevögelt zu werden!«
    Rastafan hörte noch Tasmans Lachen, aber mit den Gedanken war er bereits bei seiner Unternehmung. Er hielt seine Idee für ausgezeichnet und pfiff vor sich hin, als er den roten Priesterrock, die Kette und noch einiges mehr, was er unterwegs benötigte, in seine lederne Umhängetasche stopfte.
    Die hohen Mauern Margans waren schon von Weitem zu erkennen. Wie Rastafan ihren Anblick hasste! Auf ihren Zinnen war sein Vater qualvoll verreckt, ein Mann, der es mit zehn Männern gleichzeitig hatte aufnehmen können. Da oben hatte er sich von Weibern und Kindern verspotten lassen müssen. Rastafan hatte dieser Stadt Rache geschworen. Aber was konnten er und seine Berglöwen schon ausrichten?
    Das Stadttor war ganz aus Eisen geschmiedet und wurde von mannsdicken Ketten bewegt. Tagsüber stand es offen, aber das anderswo übliche Kommen und Gehen von Besuchern jeder Art fehlte hier. Nur spärlich war das Aufkommen von Karren und Wagen, die Waren in die Stadt brachten. Ochsen mussten außerhalb abgeschirrt werden. Nur wenige Menschen verließen die Stadt. Es schien, als wolle man mit dem Umland so wenig wie möglich Kontakt haben.
    Rastafan schluckte seinen Hass, aber auch seine Beklemmung hinunter und marschierte auf das Tor zu. Die Torwächter wichen ehrerbietig zur Seite, als der hochgewachsene Sonnenpriester mit dem breiten Kreuz und dem funkelnden Feuerauge auf der Brust an ihnen vorüberschritt. Der Rock spannte bedenklich über den Schultern, doch so genau wagte niemand, einen Sonnenpriester anzusehen. Nun noch einmal kraftvoll ausgeschritten, das kapuzenbewehrte Haupt hochmütig wie ein Pfau geradeaus gerichtet, und Rastafan befand sich in der verbotenen Stadt. Er grinste in sich hinein. Das war leicht gewesen. Diese Tölpel hatten sich auch noch vor ihm verneigt. So musste es sein.
    Vor ihm lag eine breite Prachtstraße, gesäumt von prächtigen Häusern mit großen Balkonen und Grünpflanzen auf den Dächern. Jedes war umgeben von Blumengärten mit gepflegten Rabatten. Säulenarkaden luden in ihren schattigen Gängen zum Lustwandeln ein, kunstfertig gestaltete Brunnen und Statuen schmückten die Nischen. Die Straßen waren mit großen Platten gepflastert und so sauber, dass man von ihnen hätte essen können.
    Rastafan blieb stehen und betrachtete diese reiche und mächtige Stadt, die wie eine Spinne inmitten von Jawendor hockte und alle aussaugte. Hier gab es weder Bettler noch Tagediebe, selbst die Sklaven waren gut gekleidet. Ständig schaukelten Sänften vorüber, in denen träge Aristokraten lagen und gelangweilt in die Gegend schauten. Manche wurden von Fächerträgern begleitet, die ihnen Luft zuwedelten oder die Fliegen verjagten, die sich dreist über alle Verbote hinwegsetzten.
    Rastafan knirschte mit den Zähnen. Wann wirst du fallen, du Stolze, du Hochmütige? , dachte er. Und wer wird es sein, der dich zu Fall bringt? Könnte mein Fluch dies bewirken – aber leider glaube ich nicht an Flüche. Zielstrebig setzte er seinen Weg fort. Jedermann wich ihm aus, viele grüßten, ehrerbietig den Kopf neigend. Rastafan nickte ebenfalls huldvoll lächelnd nach links und rechts. Er hoffte, alles richtig zu machen. Die ihm versehentlich zu nahe kamen, verscheuchte er, hektisch mit den Händen wedelnd. »Aus dem Weg! Bleibt weg von mir! Fasst mich nicht an!«
    Ein Mann in einem schwarzen, silberbestickten Gewand kam ihm entgegen und beobachtete kopfschüttelnd das Gestikulieren. Forschend sah er ihm ins Gesicht. Rastafan zog rasch die Kapuze tiefer in die Stirn. »Sei gesegnet, mein Sohn, sei vielfach gesegnet«, murmelte er und lief rasch weiter. Der andere sah sich nach ihm um, stieß ein verächtliches Knurren aus und verschwand hinter einer Säule.
    Rastafan hatte mittlerweile einen großen Platz erreicht, von dem rechter Hand eine gewundene Treppe hinaufführte zum Palasthügel.

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