Der Auftrag des Aeltesten
»Aber eigentlich glaube ich das nicht. Du solltest vor einem besseren Schwertkämpfer nicht so angeben, sonst könnte der sich entscheiden, dich für deine Frechheit zu bestrafen.«
Eragon riss der Geduldsfaden und er versenkte sich in den Strom der Magie. Er ließ die aufgestaute Kraft mit einem der zwölf minderen Bindungsworte los und rief »
Malthinae!
«, fesselte Vanirs Beine und Arme und verschloss ihm den Mund, sodass er keinen Gegenzauber sprechen konnte. Dem Elf gingen vor Wut fast die Augen über.
»Und du solltest nicht vor jemandem prahlen, der besser mit Magie umgehen kann als du.«
Vanir zog die dunklen Brauen zusammen, bis sie auf seiner Stirn eine einzige durchgehende Linie bildeten.
Ohne Vorwarnung und vollkommen lautlos traf eine unsichtbare Kraft Eragons Brust und schleuderte ihn zehn Meter über die Wiese. Er landete schwer auf der Seite und rang nach Luft. Bei dem Aufprall verlor er die Kontrolle über seinen Zauber. Vanir war wieder frei.
Wie hat er das gemacht?
Vanir kam zu ihm. »Deine Ignoranz verrät dich, Mensch. Du weißt nicht, wovon du sprichst. Die Vorstellung, dass du als Vraels Nachfolger erwählt wurdest, dass man dir sein Quartier gegeben hat, dass man dir die Ehre erweist, dem trauernden Weisen zu dienen...« Er schüttelte den Kopf. »Es macht mich krank, dass solche Gaben an einen so Unwürdigen verschwendet werden. Du verstehst weder, was Magie ist, noch, wie sie wirkt.«
Eragons Wut spülte wie eine Sturzflut über ihn hinweg. »Was habe ich dir überhaupt getan?«, brüllte er den Elf an. »Warum verachtest du mich so? Wäre es dir lieber, wenn es keinen Drachenreiter gäbe, der es mit Galbatorix aufnimmt?«
»Meine Meinung hat hier wenig zu bedeuten.«
»Das stimmt. Trotzdem würde ich sie gern hören.«
»Zu lauschen ist, wie Nuala in seinen ›Anrufungen‹ geschrieben hat, nur dann ein Pfad zur Weisheit, wenn es bewusst geschieht und nicht auf der Abwesenheit von Wahrnehmung beruht.«
»Halt mir keine langen Vorträge, Vanir, sondern gib mir eine ehrliche Antwort!«
Vanir lächelte kalt. »Wie du befiehlst,
Drachenreiter
.« Der Elf trat näher heran, damit nur Eragon ihn hörte. »Nach dem Untergang der Reiter haben wir achtzig Jahre lang keine Hoffnung auf einen Sieg gehabt. Wir haben nur überlebt, weil wir uns mit Magie versteckt hielten, was jedoch keine dauerhafte Lösung ist, denn irgendwann wird Galbatorix so mächtig sein, dass er gegen uns marschieren und unsere Schutzwälle beiseite fegen kann. Aber dann haben Brom und Jeod Saphiras Ei gerettet. Wir hatten plötzlich wieder eine reelle Chance, den Tyrannen zu besiegen. Wir wussten, dass der neue Drachenreiter mächtiger als alle seine Vorgänger sein musste, um gegen Galbatorix bestehen zu können, stärker noch als Vrael. Und womit wurde unsere Geduld belohnt? Mit einem Menschen, schlimmer noch, mit einem Krüppel. Du hast uns in dem Moment, als du Saphiras Ei berührtest, dem Untergang geweiht, Eragon! Also erwarte nicht, dass du hier willkommen bist.« Vanir führte den Mittel-und Zeigefinger an die Lippen, ging um Eragon herum und verließ den Übungsplatz. Eragon blieb wie erstarrt stehen.
Er hat Recht
, dachte er.
Ich bin dieser monströsen Aufgabe nicht gewachsen. Jeder dieser Elfen, selbst Vanir, wäre ein besserer Drachenreiter als ich.
Wütend verstärkte Saphira das Band zwischen ihnen.
Schätzt du mein Urteilsvermögen so gering, Eragon? Du vergisst, dass Arya mich all diesen Elfen und zahllosen Kindern der Varden vorgestellt hat, als ich noch in meinem Ei lag. Ich habe sie alle abgewiesen. Ich wollte nur jemanden zu meinem Reiter erwählen, der deinem, meinem und dem Volk der Elfen wirklich helfen kann. Du warst und bist der Richtige, am richtigen Ort und zur richtigen Zeit. Vergiss das niemals!
Mag sein, dass es damals gestimmt hat,
erwiderte Eragon,
aber das war, bevor Durza mich verwundet hat. Jetzt aber sehe ich unserer Zukunft mit größter Sorge entgegen. Ich gebe nicht auf, doch ich fürchte, dass wir nicht siegen werden. Vielleicht besteht unsere Aufgabe ja gar nicht darin, Galbatorix zu stürzen, sondern den nächsten Reitern, die von den Drachen in den beiden verbliebenen Eiern eines Tages erwählt werden, den Weg zu ebnen.
Nach seiner Ankunft auf den Felsen von Tel’naeír ging Eragon in Oromis’ Hütte. Der Elf saß am Tisch und malte mit schwarzer Tinte eine Landschaft auf den unteren Rand einer Schriftrolle, die er gerade voll geschrieben hatte.
Eragon
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