Der Auftrag des Aeltesten
dunkler Punkt am nördlichen Horizont und stieg in den glühenden Himmel über den brennenden Steppen auf. Die Vögel nahmen Reißaus vor dem gezackten schwarzen Schatten, der langsam näher kam. Zuerst hielt Eragon ihn für ein Lethrblaka, ein Flugross der Ra’zac. Dann durchdrang im Westen ein Sonnenstrahl die dichte Wolkendecke und fiel auf das Wesen.
Über ihnen schwebte ein roter Drache, der in dem Lichtbalken glühte und funkelte. Seine Flügelhaut hatte die Farbe von Wein, den man vor eine Laterne hielt. Klauen, Zähne und Rückenzacken waren schneeweiß. In seinen scharlachroten Augen lag ein Furcht erregendes Schimmern. Auf dem Rücken trug er einen Sattel, und in dem Sattel saß ein Mann in einer Rüstung aus poliertem Stahl, bewaffnet mit einem Anderthalbhänder, einem grausamen, kurzen Breitschwert.
Eiskalte Furcht packte Eragon.
Galbatorix ist es gelungen, einen weiteren Drachen schlüpfen zu lassen!
Der stählerne Mann hob die linke Hand und ein knisternder roter Energiestrahl schoss aus der Handfläche und traf Hrothgar in die Brust. Die Zwergenmagier winselten vor Schmerz, als sie ihren eigenen Körpern die Lebenskraft entzogen, um den Angriff abzuwehren, doch es war vergebens: Erst brachen sie tot zusammen, dann griff sich auch Hrothgar ans Herz und sank zu Boden. Die Zwerge schrien entsetzt auf, als sie ihren König sterben sahen.
»Nein!«, rief Eragon, und auch Saphira brüllte ihr Entsetzen heraus.
Eragon schaute hasserfüllt zu dem feindlichen Drachenreiter hinüber.
Dafür töte ich dich!
Dabei wusste er genau, dass er und Saphira in ihrem derzeitigen Zustand zu erschöpft waren, um es mit einem so mächtigen Gegner aufzunehmen. Er schaute sich um und sah ein sterbendes Pferd am Boden liegen. Der Hengst war noch am Leben. Eragon legte ihm eine Hand auf den Hals und sagte: »Schlaf, Bruder!« Dann übertrug er die restliche Lebenskraft des Pferdes auf sich und Saphira. Es reichte nicht aus, um sich vollständig zu erholen, aber es entspannte ihre brennenden Muskeln und gab ihnen neuen Elan.
Erfrischt saß Eragon auf Saphira auf und rief: »Orik, übernimm das Kommando über deine Armee!« Ein Stück entfernt sah er Arya besorgt zu ihm herüberschauen. Er verdrängte sie aus seinen Gedanken, während er die Beinriemen festzog. Dann stieg Saphira in die Lüfte und flog dem roten Drachen entgegen.
Ich hoffe, du erinnerst dich an deine Flugstunden mit Glaedr,
sagte er und packte seinen Schild noch fester.
Saphira antwortete ihm nicht, sondern pöbelte den anderen Drachen in Gedanken an:
Verräter! Schwurbrecher! Mörder!
Dann gingen sie und Eragon mit vereinten Kräften auf den roten Drachen und seinen Reiter los und versuchten, deren Abwehr zu durchbrechen. Das Bewusstsein des Reiters fühlte sich für Eragon seltsam an, als würden in den Tiefen seines Geistes dutzende von Stimmen klagen, wie eingesperrte Seelen, die um Befreiung flehen.
Sobald sie miteinander in Kontakt traten, antwortete der Reiter mit einem Stoß reiner Energie, der stärker war als alles, was Oromis in Ellesméra heraufbeschworen hatte. Eragon zog sich tief hinter seinen geistigen Schutzwall zurück und rezitierte fieberhaft einen kurzen Vers, den ihm der alte Reiter für derartige Notlagen beigebracht hatte:
Unter kaltem, leerem Winterhimmel
stand ein Mann mit silbernem Schwert.
Er sprang und focht im fiebrigen Wahn,
Die Schatten zu bekämpfen
...
Der Angriff in Eragons Geist erstarb, als Saphira und der rote Drache gegeneinander krachten wie zwei frontal kollidierende Meteoriten. Sie rangen miteinander, traten sich mit den Hinterbeinen gegenseitig in den Bauch. Ihre Klauen verursachten ein scheußliches Quietschen, als sie über Saphiras Rüstung und über die Schuppen des roten Drachen kratzten. Er war kleiner als Saphira, hatte aber kräftigere Beine und Schultern. Es gelang ihm, sich Saphira einen Moment lang vom Leib zu halten, aber dann umklammerten sie sich wieder und rangen darum, wer zuerst den Hals des anderen zu fassen bekäme.
Eragon konnte nur aufpassen, dass ihm das Schwert nicht aus der Hand fiel, während die Drachen in die Tiefe trudelten, einander traten und sich gegenseitig die Schwänze um die Ohren schlugen. Kaum fünfzig Meter über dem Boden ließen sie voneinander ab und stiegen erneut in die Höhe. Sobald sie stillstand, riss Saphira den Kopf herum, zischte wie eine Schlange und stieß eine gewaltige Flamme aus.
Sie erreichte ihr Ziel jedoch nicht: Drei Meter vor
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