Der Auftrag
ich nicht, meine Liebe. Sehen Sie, die Legion lebt allein von ihrem Mythos, und wenn dieser Mythos einmal zerstört ist, wird die Organisaüon ihm folgen. Denken Sie mal darüber nach, was die Medien aus der Geschichte machen werden, was die Leute empfinden werden, dann begreifen Sie vielleicht, was ich meine.«
Mosby brauchte nicht nachzudenken. Sie wusste, dass Scolari Recht hatte. Die Legion stand in Begriff zu sterben.
Metall glühte kirschrot, strahlte Hitze ab und brachte Sergi Chien-Chu zum Schwitzen. Er schob den Schalter des Schweißbrenners ein wenig vor, beendete die Schweißnaht und nahm die Schutzmaske ab.
Die Skulptur, eine von vielen, die rings um seine Villa den Park bevölkerten, war eine fantasievolle Mischung aus rostigen Metallplatten, die alle nach unterschiedlichen
Richtungen davonflogen. Jede Ebene, jeder Winkel stand im Konflikt mit den anderen, forderte ihre Positionen heraus und gab ihr eigenes Statement ab.
So kam es wenigsten Chien-Chu vor. Andere nahmen die Dinge freilich ganz anders wahr. Seine Frau, beispielsweise. Wo er miteinander in Konflikt stehende Winkel wahrnahm, sah seine Frau Teile aus rostigem Metall, und wo sie einen Regenbogen aus Farben entdeckte, sah er Blumen, die in einer Vase starben. Aber so ist die Ehe eben, und zwar eine glückliche, wenn auch die Situation auf Spindle sie im Augenblick belastete.
Jede Morgendämmerung brachte die Hoffnung mit sich, ein Nachrichtentorpedo könnte eintreffen, einer mit der guten Botschaft, dass Leonid am Leben war. Aber jeder Sonnenuntergang machte eine solche Nachricht zunehmend unwahrscheinlich, und ihre Hoffnung sank.
Chien-Chu hatte sich in seine Arbeit und seine Hobbys geflüchtet, aber Nola verbrachte lange Stunden auf der Veranda mit Stricken und dachte an ihren Sohn oder sprach ihrer Schwiegertochter Mut zu.
Natascha war eine reizende junge Frau mit großen Augen, einem langen, ovalen Gesicht und einem schlanken Körper, der an ein Vögelchen erinnerte. Chien-Chu liebte sie fast so sehr wie seinen Sohn und befürchtete, dass die Nachricht von Leonids Tod für sie sehr, sehr schwer sein würde. Nein, so durfte er nicht denken, das hieße, das Schicksal versuchen. Wenigstens hatte seine Mutter das immer gesagt.
»Onkel Sergi! Onkel Sergi! Du sollst zu Tante Nola kommen!«
Das war die Stimme eines fünfjährigen Jungen. Schlamm, seine Lieblingssubstanz, abgesehen von Schokoladenkuchen, bedeckte sein Gesicht und seine Hände.
Chien-Chu hob den Jungen hoch. »Tatsächlich? Was möchte Tante Nola denn?«
Zwei ernst blickende braune Augen sahen ihn an. »Sie möchte, dass du zum Haus kommst. Eine Frau ist dort, die dich sprechen möchte.«
Chien-Chu hängte den Laserbrenner an einen Vörsprung seiner Skulptur und ging zum Haus. Es war ein langer, flacher einstöckiger Bau, der Teil des Geländes zu sein schien, auf dem er stand. Hier und dort kletterte Efeu daran empor, und zwischen ordentlich gestutzten Sträuchern spähte Ziegelwerk hervor. Die Fenster blitzten in der Sonne.
»Hat die Frau einen Namen?«
Der Junge zuckte die Achseln. »Ich habe Sandkuchen gemacht.«
»Und ich eine Skulptur.«
»Ich wette, Tante Nola wird meine Sandkuchen lieber mögen als deine Skulptur.«
Chien-Chu schüttelte den Kopf. »Ich lass mich auf keine Wetten ein. Dazu bin ich langsam zu alt.«
»Wie alt bist du denn?«
»Geht dich nichts an.«
Bis sie die Veranda erreichten, hatte Chien-Chu zu keuchen begonnen, war aber zu stur und auch zu stolz, um den Jungen abzusetzen. Sie betraten gemeinsam den Wohnraum.
Er war riesengroß mit einer hohen Decke, dunklen Balken und einem mächtigen, offenen Kamin. Eine bunte
Mischung aus modernen und traditionellen Möbeln war im Raum verteilt.
Nola Chien-Chu und Madam Valerie Dasser saßen sich auf einer bequemen Couch gegenüber. Beide hielten Teetassen in der Hand. Madam Chien-Chu warf einen Blick auf ihren Mann und runzelte die Stirn.
»Sergi! Schau dich an! Ein Overall! Und noch dazu ein schmutziger. Und Toby! Schäm dich!«
Der kleine Junge lächelte vergnügt. »Ich habe Sandkuchen gemacht.«
»Du siehst selbst wie ein Sandkuchen aus. Und jetzt lauf nach oben und nimm ein Bad. Dein Klavierlehrer kommt in einer halben Stunde.«
»Aber ich mag ihn nicht!«
»Ich will nichts mehr hören. Und jetzt los!«
Der kleine Junge warf einen prüfenden Blick auf das Gesicht seiner Tante, sah, dass sie es ernst meinte, und rannte weg.
Chien-Chu ließ sich in seinen Lieblingssessel fallen,
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