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Der Auftraggeber

Der Auftraggeber

Titel: Der Auftraggeber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Jacqueline nervös und gestreßt. Schamron ließ sich am Ende des Sofas häuslich nieder und verfolgte die Szene auf der anderen Straßenseite, als sehe er sie auf einer Kinoleinwand. Gabriel schloß die Augen und hörte zu. Die beiden umkreisten sich, tänzelten wie Boxer durch den Raum. Gabriel brauchte sie nicht zu beobachten. Wie sie sich bewegten, zeigte ihm das Anschwellen der Lautstärke, wenn einer von ihnen am Telefon vorbeikam.
    »Was ist es, Jusef? Drogen? Eine Bombe? Nun sag schon!«
    Ihr Auftritt war so überzeugend, daß Gabriel fast fürchtete, Jusef könnte sich die Sache anders überlegen. Schamron genoß die Vorführung sichtlich. Als Jacqueline schließlich zustimmte, sah er zu Gabriel auf: »Das war wundervoll. Ein hübscher Touch. Gut gemacht. Bravo!«
    Fünf Minuten später beobachtete Gabriel, wie die beiden hinten in einen dunkelblauen Vauxhall einstiegen. Wenige Sekunden nachdem der Vauxhall weggefahren war, fuhr ein weiteres Auto unter Gabriels Fenster vorbei. Schamrons Beschatter. Jetzt konnten sie nur noch warten. Um sich die Zeit zu vertreiben, spulte er das Tonband zurück und hörte sich ihr Gespräch erneut an. »Eines will ich noch wissen«, hatte Jacqueline gesagt. »Sehe ich dich jemals wieder, wenn diese Sache vorbei ist?«
    Gabriel hielt das Band an und fragte sich, ob sie mit Jusef oder mit ihm gesprochen hatte.
    Die Cromwell Road gegen Mitternacht: der trostlose Straßenzug, der Central London mit den westlichen Vororten verband, war Jacqueline noch nie so schön erschienen. Die düsteren viktorianischen Hotels mit ihren Zimmerfrei-Zeichen in flackernder Leuchtschrift kamen ihr bezaubernd vor. Sie beobachtete die wechselnden Lichtmuster der Verkehrsampeln auf dem nassen Asphalt und sah in ihnen ein urbanes Meisterwerk. Sie öffnete ihr Fenster einen Spalt weit und sog prüfend die Luft ein: Dieselqualm, Modergeruch, Frittierdunst aus einer Snackbar. London bei Nacht. Spektakulär.
    Sie hatten das Fahrzeug gewechselt, den blauen Vauxhall mit einem grauen Toyota mit einem Sprung in der Windschutzscheibe vertauscht. Den Vauxhall hatte ein gutaussehender Junge gefahren, der sein Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengefaßt trug. Am Steuer saß jetzt ein älterer Mann - mindestens fünfzig, schätzte sie mit schmalem Gesicht und nervösen schwarzen Augen. Er fuhr ziemlich schnell.
    Jusef murmelte ein paar Worte auf arabisch.
    »Sprich französisch, englisch oder gar nicht«, verlangte Jacqueline.
    »Wir sind Palästinenser«, sagte Jusef. »Arabisch ist unsere Sprache.«
    »Das ist mir scheißegal! Ich spreche kein Arabisch. Ich kann nicht verstehen, was du sagst, und das ist mir unangenehm. Sprich bitte gottverdammtes Englisch, sonst kannst du dir eine andere suchen!«
    »Ich habe ihn nur aufgefordert, ein bißchen langsamer zu fahren.«
    In Wirklichkeit, Jusef, soll er sich vergewissern, daß wir nicht v erfolgt werden, aber wir wollen uns nicht über Kleinigkeiten streiten.
    Auf dem Rücksitz zwischen ihnen lag ein kleiner Koffer. Jusef war mit ihr in ihre Wohnung gefahren und hatte ihr packen geholfen. »Die Zeit reicht nicht, um lange aufs Gepäck zu warten«, hatte er ihr erklärt. »Brauchst du weitere Sachen, bekommst du Geld, um dir Kleidung zu kaufen.«
    Beim Packen hatte er aufmerksam zugesehen und alles, was sie in den Koffer legte, sorgfältig inspiziert. »Wie soll ich mich anziehen?« hatte sie sich spöttisch erkundigt. »Für warmes oder kaltes Klima? Fliege ich nach Norwegen oder Neuseeland? Nach Schweden oder Swasiland? Was für Kleidung brauche ich? Gesellschafts- oder Freizeitkleidung?«
    Jetzt zündete sie sich eine Zigarette an. Auch Jusef nahm eine zwischen die Lippen und streckte eine Hand aus, um sich Jacquelines Feuerzeug geben zu lassen. Sie gab es ihm und sah zu, wie er sich seine Zigarette anzündete. Er wollte ihr das Feuerzeug eben zurückgeben, als etwas ihn dazu bewog, es genauer zu betrachten.
    Jacqueline stockte der Atem.
    »Wirklich sehr hübsch.«
    Er drehte es um und las die eingravierte Widmung. »›Für  Dominique - mit liebevollen Erinnerungen.‹ Wo hast du dieses Feuerzeug her?«
    »Das habe ich schon seit ungefähr hundert Jahren.«
    »Wo hast du's her?«
    »Ein Mann hat es mir geschenkt. Ein Mann, der mich nicht mit einem Wildfremden auf Reisen geschickt hat.«
    »Er muß sehr liebenswürdig gewesen sein, dieser Mann. Wie kommt's, daß ich dieses Feuerzeug noch nie gesehen habe?«
    »Du hast vieles noch nicht gesehen. Das hat nichts zu

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