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Der Auftraggeber

Der Auftraggeber

Titel: Der Auftraggeber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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zweitenmal klingeln konnte. Er hörte schweigend zu und legte dann so behutsam auf, als habe er eben vom Tod eines alten Widersachers erfahren.
    »Sieht so aus, als hätten sie sich über Nacht einquartiert«, sagte er.
    »Wo?«
    »In einem Wohngebiet mit Sozialwohnungen in Hounslow in der Nähe des Flughafens.«
    »Und das Team?«
    »In Position, gut versteckt. Es bewacht sie nachts.«
    »Mir wär's wohler, wenn ich auch dort wäre.«
    »Sie haben morgen einen langen Tag vor sich. Ich schlage vor, daß Sie sich ein paar Stunden aufs Ohr legen.«
    Gabriel ging ins Schlafzimmer, kam im nächsten Augenblick aber mit einem Nylonrucksack über der Schulter zurück.
    »Wohin wollen Sie?« fragte Schamron erstaunt.
    »Ich muß noch etwas Persönliches erledigen.«
    »Wohin wollen Sie? Wann kommen Sie zurück?«
    Aber Gabriel verließ die Wohnung ohne weitere Erklärungen und ging die Treppe hinunter. Als er auf dem Gehsteig am Haus vorbeikam, glaubte er zu sehen, daß Schamron ihn durch einen Schlitz in der Jalousie beobachtete. Und als er in Richtung Edgware Road davonging, hatte er das unbehagliche Gefühl, Schamron lasse auch ihn von einem seiner Teams beschatten.

3 4 Hounslow, Englan d
    Der Toyota setzte sie ab und raste davon. Ein Parkplatz im gelblichen Licht von Natriumdampflampen, eine Kolonie gedrungener Sozialwohnblocks aus roten Ziegeln, die an einen Industriekomplex erinnerte, der bessere Zeiten gesehen hat. Jacqueline erbot sich, ihren Koffer selbst zu tragen, aber davon wollte Jusef nichts hören. Er nahm ihre Hand und führte sie über den Parkplatz, dann über eine mit zerquetschten Bierdosen und kaputten Spielsachen übersäte Grünfläche. Ein roter Wagen ohne Vorderräder. Eine nackte Babypuppe ohne Kopf. Eine Plastikpistole. Gabriels Pistole, dachte Jacqueline. Sie erinnerte sich, wie er nachts im provenzalischen Bergland ihre Zielsicherheit getestet hatte. Das schien ewig lange zurückzuliegen. Ein Leben lang. Eine Katze fauchte sie aus den Schatten an, Jacqueline umklammerte Jusefs Ellbogen und hätte fast geschrien. Dann begann ein Hund zu kläffen, und die Katze huschte über den Gehsteig und schlüpfte unter einem Zaun hindurch.
    »Hübsch ist es hier, Jusef. Warum hast du mir nie erzählt, daß du ein Häuschen auf dem Land hast?«
    »Sprich bitte nicht, bis wir drinnen sind.«
    Er führte sie in ein Treppenhaus. Trocknes Laub und alte Zeitungen in den Ecken, hellgrüne Wände, gelbliches Licht von oben. Die sich beißenden Farben bewirkten, daß sie beide aussahen, als sei ihnen übel. Sie stiegen zwei Treppen hinauf, gingen durch eine Verbindungstür und folgten einem langen Korridor. Eine Kakophonie disharmonischer Geräusche empfing sie. Ein Kleinkind, das nach seiner Mutter schrie. Ein Paar, das sich in karibisch gefärbtem Englisch stritt. Ein knackendes Radio, das ein BBC-Hörspiel plärrte - The Real Thing von Tom Stoppard. Jusef blieb vor einer Wohnungstür stehen, an der unter dem Spion die Nummer 23 angebracht war. Er schloß auf, ließ Jacqueline den Vortritt und knipste eine kleine Lampe mit Pergamentschirm an.
    Das Wohnzimmer war leer bis auf einen Sessel mit verschlissenem Bezug und einen Fernseher. Das Kabel schlängelte sich wie eine tote Ringelnatter übers Linoleum. Durch eine halboffene Tür konnte sie ins Schlafzimmer sehen, in dem eine Matratze auf dem Fußboden lag. Eine weitere Tür führte in die kleine Küche, in der auf der Arbeitsplatte neben dem Herd eine Tragetasche mit Lebensmitteln stand. Trotz der spärlichen Einrichtung war die Wohnung makellos sauber und roch nach einem Raumspray mit Zitronenduft.
    Jacqueline öffnete das Fenster; kalte Luft strömte herein. Unter dem Fenster verlief ein Zaun, hinter dem ein Fußballplatz lag. Ein halbes Dutzend junger Männer, die bunte Trainingsanzüge und Wollmützen trugen, kickten im Scheinwerferlicht eines an der Seitenlinie geparkten Autos. Ihre langen Schatten huschten über die Ziegelmauer unter dem Fenster. Aus der Ferne drang das gedämpfte Brausen der Autobahn herüber. Auf einem Hochbahngleis ratterte ein leerer Zug vorbei. Ein Verkehrsflugzeug im Steigflug donnerte übers Haus hinweg.
    »Mir gefällt, wie dein Freund sich eingerichtet hat, Jusef, aber es ist nicht wirklich mein Stil. Was hältst du davon, wenn wir uns ein Zimmer in einem der Hotels am Flughafen nehmen? Mit Zimmerservice und einer anständigen Bar?«
    Jusef war in der Küche damit beschäftigt, die Lebensmittel auszupacken. »Wenn du Hunger hast,

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