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Der Auftraggeber

Der Auftraggeber

Titel: Der Auftraggeber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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denken. Während seines Aufenthalts in Port Navas hatte er festgestellt, daß seine Phantasie sich mehrmals mit ihr beschäftigte. Die Geschichte begann immer gleich: Er würde ihr zufällig im Dorf begegnen, und sie würde ihm erzählen, Derek sei auf einer langen Wanderung zum Lizard Point, um zu versuchen, den zweiten Akt seines neuen Stücks zu retten. »Er ist noch stundenlang fort«, würde sie sagen. »Möchten Sie zum Tee kommen?«
    Er würde ja sagen, aber anstatt ihm Tee zu servieren, würde sie ihn nach oben in ihr Bett mitnehmen und ihm erlauben, neun Jahre selbstauferlegter Enthaltsamkeit in ihren geschmeidigen Körper zu ergießen. Hinterher würde sie ihren Kopf so auf seinen Bauch legen, daß ihr feuchtes Haar über seine Brust ausgebreitet war. »Du bist nicht wirklich Restaurator, stimmt's?« würde sie ihn in seiner Phantasie fragen. Und Gabriel würde ihr die Wahrheit sagen. »Ich morde im Auftrag der israelischen Regierung. Ich habe Abu Dschihad vor den Augen seiner Frau und seiner Kinder getötet. In dieser Nacht habe ich in dreizehn Sekunden drei Männer erschossen. Dafür hat mir unser Premierminister einen Orden verliehen. Früher hatte ich eine Frau und einen Sohn, aber ein Terrorist hat eine Bombe unter ihr Auto gelegt, weil ich in Tunis eine Affäre mit meiner Bat leweja hatte.«
    Und Peels Mutter würde kreischend aus dem Haus laufen - in ein weißes Bettlaken gehüllt, das rot von Leahs Blut war.
    Er kehrte zu seinem Sessel zurück und wartete auf Jusef. Vor seinem inneren Auge stand nicht mehr das Gesicht von Peels Mutter, sondern das Antlitz von Vecellios Jungfrau Maria. Um sich die Wartezeit zu vertreiben, tauchte Gabriel einen imaginären Pinsel in imaginäres Pigment und heilte zärtlich ihre verletzte Wange.
    Jusef kam gegen drei Uhr nach Hause. Er brachte eine junge Frau mit, die hübsche Schwarzhaarige, die ihm nachmittags ihre Telefonnummer zugesteckt hatte. Gabriel beobachtete, wie sie durch die Haustür verschwanden. Oben in der Wohnung brannte kurz Licht, bevor Jusef noch einmal am Fenster erschien. Gabriel wünschte ihm eine gute Nacht, als er hinter dem Vorhang verschwand. Dann ließ er sich auf die Couch fallen und schloß die Augen. Heute hatte er beobachtet. Morgen würde er zu lauschen beginnen.

1 3 Amsterda m
    Drei Stunden später trat eine junge Frau namens Inge van der Hoff aus einer Bar im Rotlichtbezirk und ging rasch durch eine schmale Gasse davon. Schwarzer Lederrock, schwarze Leggings, schwarze Lederjacke, dazu schwarze Stiefel, die übers Pflaster klapperten. Die Straßen der Altstadt waren noch dunkel, und leichter Nebel verschleierte die Straßenlampen. Sie hob ihr Gesicht zum Morgenhimmel. Der Nebel schmeckte nach Salz, roch nach der Nordsee. Sie kam an zwei Männern vorbei, einem Betrunkenen und einem Haschdealer, senkte ihren Kopf und ging rasch weiter. Ihr Chef mochte es nicht, wenn sie zu Fuß nach Hause ging, aber nach einer langen Nacht, in der sie Drinks serviert und die Avancen betrunkener Gäste abgewehrt hatte, war es immer schön, für ein paar Minuten allein zu sein.
    Plötzlich fühlte sie sich sehr müde. Sie mußte unbedingt pennen. Was ich wirklich brauche, ist ein Schuß, dachte sie. Hoffentlich hat Leila heute nacht was gekriegt.
    Leila… Sie liebte den Klang ihres Namens. Liebte alles an ihr. Sie hatten sich vor zwei Wochen in der Bar kennengelernt. Leila war drei Abende nacheinander gekommen, jedesmal ohne Begleitung. Sie blieb ungefähr eine Stunde, trank einen Genever, einen Grolsch, rauchte etwas Hasch und hörte der Musik zu. Jedesmal wenn Inge an ihren Tisch kam, fühlte sie den Blick der Unbekannten auf sich. Inge mußte zugeben, daß ihr das gefiel. Sie war eine umwerfend attraktive junge Frau mit glänzendem schwarzen Haar und großen braunen Augen. Am dritten Abend stellte Inge sich ihr schließlich vor, und sie unterhielten sich ein bißchen. Leila erzählte, ihr Vater sei Geschäftsmann, und sie habe schon in vielen Ländern gelebt.
    Sie sagte, sie mache ein Jahr Urlaub von ihrem Studium in Paris, um zu reisen und das Leben zu genießen. Sie sagte, Amsterdam habe sie verzaubert. Die malerischen Grachten. Die spitzgiebligen Häuser, die Museen und die Parks. Sie wolle ein paar Monate bleiben, Amsterdam bis in den letzten Winkel erkunden.
    »Wo wohnst du?« hatte Inge gefragt.
    »In einer Jugendherberge im Süden der Stadt. Scheußlich, kann ich dir sagen! Und wo wohnst du?«
    »Auf einem Hausboot auf der Amstel.«
    »Auf einem

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