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Der Auftraggeber

Der Auftraggeber

Titel: Der Auftraggeber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Hausboot? Wie wundervoll!«
    »Es gehört meinem Bruder, aber der ist für ein paar Monate in Rotterdam auf einer Großbaustelle.«
    »Meinst du, ich könnte ein paar Tage auf deinem Hausboot übernachten?«
    »Ich biete dir an, bei mir zu bleiben, solange du willst. Ich komme nicht gern in leere Räume heim.«
    Über dem Fluß dämmerte der Tag herauf, in den am Kai vertäuten Hausbooten gingen die ersten Lichter an. Inge folgte dem Kai ein kurzes Stück weit, dann trat sie aufs Deck ihres Hausboots. Die Vorhänge an den Fenstern waren zugezogen. Sie überquerte das Deck und betrat den Salon. Sie hatte erwartet, Leila schlafend im Bett vorzufinden, aber statt dessen stand sie am Herd und kochte Kaffee. Neben ihr stand ein anscheinend gepackter Koffer. Inge schloß die Tür und bemühte sich, ihre Enttäuschung zu verbergen.
    »Gestern abend, als du schon bei der Arbeit warst, habe ich mit meinem Bruder in Paris telefoniert«, sagte Leila.
    »Mein Vater ist schwer krank. Ich muß sofort nach Hause, weil meine Mutter mich braucht. Tut mir leid, Inge.«
    »Wie lange bleibst du fort?«
    »Eine Woche, höchstens zwei.«
    »Aber du kommst zurück?« »Natürlich komme ich zurück!« Sie küßte Inge auf die Wange und gab ihr einen Becher  Kaffee. »Mein Flugzeug geht in zwei Stunden. Setz dich, ich muß etwas mit dir besprechen.«
    Sie setzten sich in den Salon. »Ein Freund von mir kommt morgen nach Amsterdam«, begann Leila. »Er heißt Paul. Er ist Franzose. Ich wollte dich fragen, ob er ein paar Tage hier wohnen kann, bis er eine Bleibe gefunden hat.«
    »Leila, ich will keinen…«
    »Er ist ein guter Mann, Inge. Er belästigt dich garantiert nicht,  falls dir das Sorgen macht.«
    »Ich weiß, wie man sich Kerle vom Hals hält.«
    »Dann kann Paul also ein paar Tage hier wohnen?«
    »Wie viele Tage sind ein paar Tage?«
    »Vielleicht eine Woche.«
    »Und was bekomme ich dafür?«
    Leila griff in ihre Tasche, zog einen kleinen Plastikbeutel mit  weißem Pulver heraus und hielt ihn ihr zwischen Daumen und Zeigefinger vors Gesicht.
    Inge riß ihr den Beutel aus den Fingern. »Leila, du bist ein Schatz!«
    »Ich weiß.«
    Inge verschwand in ihrer Kabine und zog die oberste Kommodenschublade auf. Darin lag ihr Fixerbesteck: eine Packung Einwegspritzen, Kerze, Eßlöffel, dünner Gummischlauch. Sie erhitzte die Droge, während Leila draußen ihre letzten Sachen einpackte. Dann band sie sich den linken Arm mit dem Gummischlauch ab und stieß die Nadel vorsichtig in eine Armvene.
    Im nächsten Augenblick wurde ihr Körper von einer ungeheuer angenehmen Benommenheit überwältigt. Und das letzte, was sie noch wahrnahm, bevor sie in Bewußtlosigkeit versank, war der Anblick Leilas, ihrer schönen Geliebten, die aus der Tür schlüpfte und übers Deck des Hausboots davonschwebte.

1 4 Bayswater, Londo n
    Randall Karp, ehemals beim Amt für Technische Dienste, Langley, Virginia, jetzt bei der obskuren Firma Clarendon International Security, Mayfair, London, traf in den stillen Minuten kurz vor Tagesanbruch in Gabriels Apartment in Sussex Gardens ein. Er trug eine Vliesjacke gegen die Morgenkälte, blaßblaue Jeans und Wildledersandalen mit den dicken Wollsocken eines Mannes, der gern und oft im Freien ist. An beiden Enden seiner spinnenartigen Arme hing je ein Matchsack, von denen der eine seine persönlichen Sachen und der andere sein Handwerkszeug enthielt. Er stellte das Gepäck mit einem Ausdruck stiller Selbstzufriedenheit im Wohnzimmer ab und begutachtete seine Umgebung.
    »Mir gefällt's, wie du die Wohnung eingerichtet hast, Gabe.«
    Er sprach mit plattem südkalifornischem Akzent. Seit Gabriel ihn zuletzt gesehen hatte, hatte er sich einen Pferdeschwanz wachsen lassen, um seine sich rasant ausdehnende Stirnglatze zu kompensieren. »Sie hat sogar den richtigen Geruch. Wonach eigentlich? Curry? Zigaretten? Etwas verschüttete Milch? Hier
    wird's mir gefallen.«
    »Freut mich echt.«
    Karp trat ans Fenster. »Also, wo ist unser Junge?«
    »Zweiter Stock, direkt über dem Eingang. Weiße Vorhänge.«
    »Wer ist er?«
    »Ein Palästinenser, der meinem Land schaden will.«
    »Das hätte ich mir selbst denken können. Weißt du nicht mehr  über ihn? Hamas? Hisbollah? Islamischer Dschihad?« Gabriel schwieg jedoch, und Karp verzichtete wohlweislich  darauf, ihn zu einer Antwort zu drängen. Karp war ein erstklassiger Audiotechniker - und Techniker waren es gewohnt, bei ihrer Arbeit oft nur halb im Bilde zu sein. In

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