Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Auftraggeber

Der Auftraggeber

Titel: Der Auftraggeber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
Vom Netzwerk:
verschüttete, merkte er sich in Wirklichkeit das Kennzeichen des Nissans, den der Araber fuhr. Und während er den aufgebrachten Signor Andriotti abwehrte, beobachtete er, wie Jusef telefonierte. Mit wem redet er? Mit einer Frau? Mit einem Cousin in Ramallah? Mit seinem Führungsoffizier?
    Nach gut einer Stunde hielt Gabriel es für unklug, länger in dem Restaurant zu bleiben. Er zahlte, gab ein großzügiges Trinkgeld und entschuldigte sich für sein flegelhaftes Benehmen. Signor Andriotti begleitete ihn zum Ausgang und ließ ihn sanft in den Menschenstrom hinaustreiben.
    An diesem Abend saß Gabriel in einem Sessel am Fenster und wartete darauf, daß Jusef heimkam. Die Straße glänzte nach einem späten Regenguß. Ein Motorrad raste vorbei, ein Junge am Lenker, ein Mädchen, das ihn offenbar aufforderte, langsamer zu fahren, hinter ihm. Das hatte vermutlich nichts zu bedeuten, aber er trug die Beobachtung trotzdem in seine Kladde ein und vermerkte auch die Zeit: 23.15 Uhr.
    Er hatte Kopfschmerzen von dem Wein. Das Apartment fing bereits an, ihn zu deprimieren. Wie viele Nächte hatte er schon auf diese Weise verbracht? In sterilen sicheren Wohnungen des Diensts oder in schäbigen möblierten Zimmern wartend und beobachtend. Er sehnte sich nach etwas Schönem, deshalb schob er eine Aufnahme mit La Boheme in den vor seinen Füßen stehenden CD-Player und drehte die Lautstärke zu einem Flüstern herunter. Geheimdienstarbeit ist Geduld, sagte Schamron immer. Geheimdienstarbeit ist Langeweile.
    Er stand auf, ging in die Küche und nahm zwei Aspirin gegen die Kopfschmerzen. In der Nachbarwohnung stritten eine Mutter und ihre Tochter sich in libanesisch gefärbtem Arabisch. Ein Glas zersplitterte, dann noch eines, eine Tür wurde zugeknallt, jemand rannte durch den Korridor.
    Gabriel ließ sich in seinen Sessel sinken und schloß die Augen; Sekunden später war er wieder in Nordafrika - damals vor zwölf Jahren.

    Die Schlauchboote kamen mit der harmlosen Brandung bei Rouad an Land. Gabriel stieg aus in lauwarmes, knietiefes Wasser und zog sein Schlauchboot auf den Sand. Ein Team von Sajaret-Kommandos folgte ihm mit schußbereiten Waffen über den Strand. Irgendwo in der Ferne bellte ein Hund. Der Geruch von Holzrauch und Grillfleisch hing in der Luft. Die junge Frau wartete am Steuer eines VW-Busses. Vier der Kommandos stiegen mit Gabriel in den Volkswagen. Die anderen verteilten sich auf zwei Peugeot-Kombis, die hinter dem Kleinbus bereitstanden. Wenige Sekunden später sprangen die Motoren gleichzeitig an, und die Fahrzeuge rasten durch die kühle Aprilnacht davon.
    Gabriel trug eine Hör-Sprech-Garnitur, die mit dem kleinen Funkgerät in seiner Jackentasche verbunden war. Dieses Funkgerät stand auf einer abhörsicheren Frequenz mit einer speziell ausgerüsteten Boeing 707 in Verbindung, die in einem zivilen Luftkorridor dicht vor der tunesischen Küste als angebliche El-Al-Chartermaschine unterwegs war. Ging etwas schief, konnten sie das Unternehmen binnen Sekunden abbrechen.
    »Mutter ist sicher angekommen«, murmelte Gabriel. Als er seine Sprechtaste losließ, kam bereits der Befehl: »Fahrt zu Mutters Haus weiter.«
    Gabriel hielt seine Beretta während der Fahrt zwischen den Knien und rauchte, um seine Nervosität zu verbergen. Die junge Frau ließ beide Hände am Lenkrad, nahm den Blick nicht von der unbeleuchteten Straße. Sie war groß, größer als Leah, mit dunkelbraunen Augen und schwarzer Mähne, die in ihrem Nacken durch eine schlichte Silberspange zusammengefaßt wurde. Sie kannte diese Route so gut wie Gabriel. Als Schamron ihn nach Tunis entsandt hatte, um ihn die Zielperson auskundschaften zu lassen, hatte die junge Frau ihn als seine angebliche Ehefrau begleitet. Gabriel streckte eine Hand aus und umfaßte sanft ihre Schulter, während sie fuhr. Ihre Muskeln waren straff angespannt. »Nicht verkrampfen«, sagte er halblaut. Sie lächelte kurz und atmete hörbar aus. »Du machst deine Sache ausgezeichnet.«
    Sie erreichten Sidi Boussaid, einen nicht weit vom Meer entfernten Villenvorort von Tunis, und hielten gegenüber der Villa. Die Peugeots hielten hinter ihnen. Die junge Frau stellte den Motor ab. 0.15 Uhr. Auf die Minute pünktlich.
    Gabriel kannte die Villa so gut wie sein eigenes Haus. Erhatte sie während der Überwachung aus jedem nur möglichen Blickwinkel studiert und fotografiert. In der Negev hatten sie die Villa genau nachgebaut, damit er und sein Team das Eindringen immer wieder

Weitere Kostenlose Bücher