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Der Auftraggeber

Der Auftraggeber

Titel: Der Auftraggeber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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zu gehen, stimmt's?«
    Aber Gabriel war dabei, die nächste Phase des Unternehmens einzuleiten - er würde Jacqueline auf feindliches Gebiet entsenden -, und wollte sicher sein, daß er sie nicht in eine Falle schickte. Deshalb hörte er sich die Aufzeichnung erneut an:
    »Bleibt's bei dem Treffen heute abend?«
    »Unbedingt. Wo?«
    »All Bar One, Leicester Square, neun Uhr.«
    »Ich bin pünktlich da.«
    STOP. RÜCKLAUF. PLAY.
    »Bleibt's bei dem Treffen heute abend?«
    »Unbedingt. Wo?«
    »All Bar One, Leicester Square, neun Uhr.«
    »Ich bin pünktlich da.«
    STOP. RÜCKLAUF. PLAY.
    »All Bar One, Leicester Square, neun Uhr.«
    STOP. PLAY.
    »Ich bin pünktlich da.«
    Gabriel griff nach dem Telefonhörer und tippte die Nummer von Isherwood Fine Arts ein.

2 3 Leicester Square, Londo n
    Die All Bar One lag am Leicester Square in der Südwestecke des Platzes. Sie hatte zwei Etagen und zur Straße hin Panoramafenster, so daß Gabriel, der draußen auf einer kalten Holzbank saß, den Betrieb im Inneren wie ein Theaterstück auf einer Bühne mit mehreren Ebenen beobachten konnte. Massen von Touristen und Kinogängern strömten an ihm vorbei. Auch die Straßenkünstler waren im Einsatz. Auf einer Seite des Platzes sang ein Deutscher, der dazu Elektrogitarre spielte, JimiHendrix-Songs in ein knackendes Mikrofon. Auf der anderen Seite spielte und sang eine peruanische Gruppe die Lieder ihrer Bergheimat vor einer unglücklich aussehenden Bande von Großstadtpunks mit purpurroten Haaren. Dicht neben dem Eingang zur Bar stand eine menschliche Statue mit titanweiß geschminktem Gesicht unbeweglich auf einem Podest und schien Gabriel boshaft anzustarren.
    Jusef erschien fünf Minuten später in Begleitung eines schlanken, rotblonden Mannes. Sie vermieden es, in der kurzen Schlange vor dem Eingang warten zu müssen, indem sie dem Gorilla von Türsteher einen Schein zusteckten. Wenige Augenblicke später tauchten sie am Fenster im ersten Stock auf, wo Jusef eine überschlanke Blondine begrüßte. Gabriel holte sein Mobiltelefon aus der Tasche, gab eine Nummer ein, murmelte ein paar Worte und schaltete das Gerät wieder aus.
    Als Jacqueline fünf Minuten später aufkreuzte, trug sie dieselben Sachen wie tagsüber in Isherwoods Galerie, aber sie hatte ihr schwarzes Haar nicht mehr aufgesteckt, sondern trug es offen. Sie ging zu dem Türsteher und erkundigte sich, wie lange die Wartezeit sei. Der Türsteher trat prompt beiseite, worüber sich die Wartenden ärgerten. Als Jacqueline in der Bar verschwand, hörte Gabriel jemanden laut sagen: »Französisches Miststück!«
    Sie ging nach oben, holte sich an der Bar ein Glas Wein und setzte sich damit ganz in der Nähe von Jusef und seinem Freund ans Fenster. Jusef unterhielt sich weiter angeregt mit der Blondine, aber schon nach kurzer Zeit sah Gabriel, wie seine Blicke immer wieder zu der großen Schwarzhaarigen rechts von ihm wanderten.
    Zwanzig Minuten später hatten weder Gabriel noch die Statue sich bewegt, aber Jusef hatte die Blondine seinem Freund überlassen und saß jetzt neben Jacqueline. Sie hing förmlich an seinen Lippen, als sei jedes Wort, das er sagte, das Faszinierendste, was sie seit Jahren gehört hatte.
    Gabriel starrte die Statue an, und die Statue erwiderte seinen Blick.
    Kurz nach Mitternacht verließen sie die Bar und gingen bei eisigem Wind über den Platz. Jacqueline fröstelte und verschränkte die Arme unter ihren Brüsten. Jusef legte einen Arm um ihre Taille und zog sie an sich. Sie spürte den Wein, den sie im Lauf des Abends getrunken hatte. Aus Erfahrung wußte sie, daß besonnener Genuß von Alkohol in solchen Situationen nützlich war. Sie hatte gerade genug getrunken, um ohne Hemmungen mit einem völlig Unbekannten zu schlafen - Hemmungen, die sie hätten verraten können -, aber nicht genug, um ihre Sinne oder ihren Selbsterhaltungstrieb abzustumpfen. An der Charing Cross Road stiegen sie in ein Taxi.
    »Wo wohnst du?« fragte Jacqueline. Das wußte sie bereits, aber Dominique Bonard wußte es nicht.
    »Ich habe eine Wohnung in Bayswater. Sussex Gardens. Fahren wir zu mir?«
    Sie nickte. Das Taxi fuhr die Charing Cross Road entlang, in der fast alle Schaufenster dunkel waren, und folgte dann der Oxford Street nach Westen in Richtung Marble Arch und Hyde Park. Kamen sie an einem beleuchteten Schaufenster oder unter einer Straßenlampe vorbei, sah sie kurz sein Gesicht wie ein Foto, das für einen Augenblick auf eine Leinwand projiziert wird. Sie

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