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Der Auftraggeber

Der Auftraggeber

Titel: Der Auftraggeber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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seine Neugier in bezug auf Jusef ausschließlich professionelle Gründe hatte. Oder waren persönliche Gründe hinzugekommen? Betrachtete er den Palästinenser jetzt als eine Art Rivalen?
    Er merkte, daß er das leere Bett einige Sekunden lang angestarrt hatte. Was zum Teufel ist in dich gefahren?
    Gabriel wandte sich ab und konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf den Radiowecker. Bevor er ihn aussteckte, kontrollierte er die Einstellungen. Der Wecker stand auf acht Uhr. Er stellte das Radio an: BBC Five, Lautstärke ziemlich gering.
    Er stellte das Radio wieder ab, zog das Stromkabel aus der Steckdose.
    In diesem Augenblick klingelte sein Mobiltelefon.
    Gabriel richtete sich auf und sah aus dem Fenster. Die  Signallampe brannte nicht mehr.
    Die Vorstellung von Jacqueline auf dem Bett hatte ihn so entnervt, daß er ganz vergessen hatte, den Horchposten im Auge zu behalten. Er drückte die Sprechtaste seines Mobiltelefons, bevor es zum zweiten Mal klingelte, und meldete sich.
    »Verschwinde, und zwar schnell!« sagte Karp. »Wir haben  Besuch!«
    Gabriel lief ans Fenster und sah auf die Straße hinunter.
    Jacqueline und Jusef stiegen aus einem Taxi. Was ist aus der  Einladung zum Abendessen geworden?
    Er drehte sich um. Jetzt hatte er ein ernstes Problem. Er hatte Jusefs Radiowecker ausgesteckt. Bevor er ging, mußte er ihn wieder einstecken und neu programmieren. Sonst würde Jusef vermuten, jemand sei in seiner Wohnung gewesen.
    Gabriel überlegte, wie lange die beiden brauchen würden, um heraufzukommen. Zehn Sekunden, um die Haustür zu erreichen… zwei Sekunden, um sie aufzuschließen… noch ein paar Sekunden, um den Vorraum zu durchqueren… etwa 45 Sekunden, um die Treppe hinaufzusteigen und den Flur zur Wohnungstür entlangzugehen. Also blieb ihm knapp eine Minute Zeit.
    Er mußte es versuchen.
    Gabriel holte den mitgebrachten Radiowecker aus seinem Rucksack und steckte ihn ein. Die roten Leuchtziffern blinkten 12:00… 12:00… 12:00… Das Absurde der Situation reizte zum Lachen. Die Zukunft des gesamten Unternehmens hing davon ab, ob er es schaffte, einen Radiowecker schnell genug zu stellen, um nicht in dieser Wohnung erwischt zu werden. Ari Schamron hatte ihn überredet, zurückzukommen und ihm zu helfen, den guten Ruf des Diensts wiederherzustellen, aber jetzt stand ein weiteres Fiasko bevor!
    Er begann den Knopf zu drücken, mit dem die Stunden eingestellt wurden. Die Zahlen rückten vor, aber das Adrenalin ließ seine Finger so zittern, daß er den Wecker versehentlich auf  9.00 Uhr stellte. Scheiße! Nun mußte er den ganzen 24-Stunden-Zyklus wiederholen. Beim zweiten Mal machte er's richtig. Nachdem er die Uhrzeit eingestellt hatte, schaltete er das Radio ein, fand BBC Five und paßte die Lautstärke an.
    Keine Ahnung, wie lange das alles gedauert hatte. Gabriel nahm seinen Rucksack, schaltete die Taschenlampe aus und hastete aus dem Schlafzimmer zur Wohnungstür. Unterwegs zog er seine Beretta aus dem Hosenbund und steckte sie in seine rechte Jackentasche. Er blieb an der Wohnungstür stehen und drückte sein Ohr daran. Auf dem Flur war es still. Er mußte versuchen, hier rauszukommen. In der Wohnung gab es keine Möglichkeit, sich zu verstecken, um später heimlich hinauszuschlüpfen. Er öffnete  die Tür und trat auf den Flur hinaus.
    Als er die Wohnungstür absperrte, waren im Treppenhaus Schritte zu hören.
    Er wandte sich ab, umfaßte den Griff der Beretta in seiner Jackentasche und ging zur Treppe.
    Unterwegs im Taxi zwang Jacqueline sich dazu, Ruhe zu bewahren. Sie hatte den Auftrag gehabt, Jusef von seiner Wohnung fernzuhalten, aber wenn sie seinen Vorschlag, er würde für sie beide kochen, abgelehnt hätte, wäre er vielleicht mißtrauisch geworden. Daß Gabriel ausgerechnet dann in der Wohnung sein würde, wenn sie zurückkamen, war äußerst unwahrscheinlich. Seine Arbeit würde nur wenige Minuten dauern. Die Chancen standen gut, daß er die Wanzen bereits installiert hatte und längst wieder fort war. Und es gab eine weitere, beruhigende Möglichkeit; Gabriel hatte damit gerechnet, daß Jusef sie um halb sieben von der Galerie abholen und anschließend mit ihr zum Essen gehen würde. Vielleicht war er noch gar nicht in der Wohnung gewesen. Er würde sehen, daß sie unerwartet früh zurückkamen, sein Vorhaben abblasen und ein andermal versuchen, die Wanzen zu installieren.
    Sie durchquerten den Vorraum und gingen die Treppe hinauf. Oben kam ihnen ein Mann aus dem Flur entgegen:

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