Der Auftraggeber
hat.«
Kemel bemerkte, daß Tariq bereits überlegte, welche Möglichkeiten sich daraus ergaben. »Ist dein Londoner Agent jemand, dem man einen wichtigen Auftrag anvertrauen kann?«
»Er ist ein hochintelligenter junger Mann. Und unbedingt loyal. Ich habe seinen Vater gekannt. Die Israelis haben ihn zweiundachtzig umgebracht.«
»Hat er nach der Wanze gesucht?«
»Ich habe ihn angewiesen, das nicht zu tun.«
»Gut«, sagte Tariq. »Sie bleibt vorläufig, wo sie ist. Wir können sie zu unserem Vorteil nutzen. Was ist mit dieser jungen Frau? Spielt sie noch eine Rolle?«
»Jusef hat Anweisung, sich weiter mit ihr zu treffen.«
»Wie sieht sie aus?«
»Anscheinend sehr attraktiv.«
»Hast du genügend Leute in London, um sie beschatten zu lassen?«
»Jederzeit.«
»Laß sie beobachten. Und besorg mir ein Foto von ihr.«
»Du hast eine Idee?«
Sie überquerten einen kleinen Platz und begannen einen langen, steilen Anstieg. Bis sie oben anlangten, hatte Tariq seinen Plan erläutert.
»Brillant!« sagte Kemel. »Aber er hat einen Fehler.«
»Welchen?«
»Du wirst ihn nicht überleben.«
Tariq lächelte trübselig. »Das ist die beste Nachricht, die ich seit langem erhalten habe.«
Er wandte sich ab und ging davon. Im nächsten Augenblick war er im Nebel verschwunden. Kemel fröstelte. Er schlug den Mantelkragen hoch und ging ins Bairro Alto zurück, um wieder Fado zu hören.
2 7 Bayswater, Londo n
Bei der Überwachung stellte sich eine bequeme, aber ziemlich langweilige Routine ein. Gabriel verbrachte endlos lange Stunden, in denen er nichts anderes zu tun hatte, als die trivialen Details von Jusefs Leben zu belauschen, die wie ein zweitklassiges Hörspiel aus seinen Lautsprechern drangen. Jusef, der bei Zigaretten und türkischem Kaffee mit seinen palästinensischen Freunden über Politik diskutierte. Jusef, der einem schluchzenden Mädchen am Telefon erklärte, sie könnten sich nicht mehr treffen, weil er jetzt eine feste Freundin habe. Gabriel stellte fest, daß sein Leben sich dem Rhythmus von Jusefs Leben anpaßte. Er aß, wenn Jusef aß, schlief, wenn Jusef schlief, und wenn Jusef Jacqueline liebte, liebte Gabriel sie ebenfalls.
Aber nach zehn Tagen hatten Gabriels Wanzen noch nichts Verwertbares aufgefangen. Dafür gab es mehrere mögliche Erklärungen. Vielleicht hatte Schamron sich einfach getäuscht. Vielleicht war Jusef tatsächlich nur ein Kellner und Student. Vielleicht war er ein Agent, aber im Augenblick nicht aktiv. Oder vielleicht war er ein aktiver Agent, der tote Briefkästen und andere unpersönliche Kommunikationsmethoden benutzte, um mit seinem Führungsoffizier in Verbindung zu bleiben. Um das überprüfen zu können, hätte Gabriel ihn Tag und Nacht überwachen lassen müssen. Dafür brauchte man mehrere Teams, mindestens ein Dutzend Leute - sichere Wohnungen, Autos, Funkgeräte… Es wäre sehr schwierig gewesen, ein Großunternehmen dieser Art vor dem britischen Geheimdienst MI5 zu tarnen.
Aber die meisten Sorgen machte Gabriel eine andere Möglichkeit: die Gefahr, das Unternehmen könnte schon aufgeflogen sein. Vielleicht war seine Überwachung ergebnislos, weil Jusef bereits den Verdacht hegte, er werde überwacht. Vielleicht hatte er den Verdacht, in seiner Wohnung und seinem Telefon seien Wanzen installiert. Und vielleicht vermutete er, die schöne Französin aus der Kunstgalerie sei in Wirklichkeit eine israelische Agentin.
Gabriel entschied, es sei Zeit für einen weiteren Treff mit Schamron in Paris.
Am nächsten Morgen traf er sich mit Schamron in einem Tearoom in der Rue Mouffetard. Schamron zahlte seine Rechnung, und sie gingen langsam durch die Märkte und an den Straßenhändlern vorbei den Hügel hinauf. »Ich will sie abziehen«, sagte Gabriel.
Schamron blieb an einem Obststand stehen, nahm eine Orange in die Hand und studierte sie einen Augenblick, bevor er sie vorsichtig in die Steige zurücklegte. Dann sagte er: »Erzählen Sie mir bitte nicht, daß Sie mich wegen dieser Verrücktheit nach Paris haben kommen lassen.«
»Ich habe kein gutes Gefühl bei dieser Sache. Ich will sie rausholen, bevor es zu spät ist.«
»Sie ist nicht enttarnt, und die Antwort lautet nein.«
Schamron musterte Gabriel prüfend. »Weshalb so trübselig, Gabriel? Hören Sie sich die Tonbänder an, bevor Sie sie mir schicken?«
»Natürlich höre ich sie mir an.«
»Kapieren Sie nicht, was da gespielt wird? Die endlosenVorträge über die Leiden der Palästinenser? Über
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