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Der Auftraggeber

Der Auftraggeber

Titel: Der Auftraggeber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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die Brutalität der Israelis? Die Rezitation palästinensischer Lyrik? Und immer wieder die alte Mär, wie schön das Leben in Palästina vor Ankunft der Juden gewesen ist?«
    »Worauf wollen Sie hinaus?« »Der Junge ist entweder verliebt oder verfolgt andere  Absichten.«
    »Gerade die zweite Möglichkeit macht mir Sorgen.«
    »Sind Sie jemals auf die Idee gekommen, Jusef könnte in ihr mehr als nur eine schöne Frau sehen? Sind Sie jemals auf die Idee gekommen, daß er sie für ein leicht beeinflußbares Mädchen hält, das für Tariq und seine Organisation nützlich sein könnte?«
    »Natürlich, aber auf ein Unternehmen dieser Art ist sie nicht vorbereitet. Und wir sind's offen gesagt auch nicht.«
    »Sie wollen also Ihre Zelte abbrechen und heimgehen?«
    »Nein, ich will nur Jacqueline abziehen.«
    »Und was passiert dann? Unser Junge wird nervös. Jusef wird mißtrauisch und stellt seine Wohnung auf den Kopf. Ist er diszipliniert, wirft er alle seine Elektrogeräte weg. Und Ihre Mikrofone damit ebenfalls.«
    »Inszenieren wir ihren Abgang sorgfältig, hat er keinen Grund, mißtrauisch zu werden. Außerdem habe ich ihr einen kurzen Einsatz versprochen, als ich sie engagiert habe. Sie wissen, daß sie anderweitige Verpflichtungen hat.«
    »Keine, die wichtiger sind als dieses Unternehmen. Zahlen Sie ihr einfach, was sie sonst verdient hätte. Sie bleibt, Gabriel. Ende der Diskussion.«
    »Bleibt sie, gehe ich.«
    »Dann gehen Sie!« knurrte Schamron. »Gehen Sie nach Cornwall zurück, und vergraben Sie sich wieder in Ihren Vecellio. Ich schicke jemanden, der Sie ablöst.«
    »Sie wissen, daß ich nicht daran denke, sie in Ihren Händen zu lassen.«
    Schamron bemühte sich rasch, ihn zu beschwichtigen. »Sie sind zu lange ununterbrochen im Einsatz gewesen. Sie sehen  angegriffen aus. Ich weiß sehr gut, wie anstrengend diese Arbeit ist. Vergessen Sie Jusef für ein paar Tage. Er läuft uns nicht weg. Spannen Sie ein bißchen aus. Tun Sie etwas, das Sie auf andere Gedanken bringt. Ich brauche Sie frisch und leistungsfähig.«
    Auf der Rückfahrt nach London betrat Gabriel die Zugtoilette und sperrte die Tür ab. Er blieb lange vor dem Spiegel stehen. Er entdeckte neue Falten um seine Augen, eine Verkniffenheit um die Mundwinkel, ein schärferes Profil der Backenknochen. Unter den Augen hatte er wie mit Kohlestift gezeichnete dunkle Ringe. »Ich weiß sehr gut, wie anstrengend diese Arbeit ist.«
    D as Unternehmen gegen die Terrorgruppe Schwarzer September… Damals hatten sie alle irgend etwas bekommen: Herzprobleme, Bluthochdruck, Ausschlag, chronische Erkältung. Die Attentäter hatten am meisten gelitten. Nach dem Einsatz in Rom hatte Gabriel nicht mehr schlafen können. Sobald er die Augen schloß, hörte er Kugeln, die Fleisch durchschlugen, und sah Feigenwein, der sich auf dem Marmorboden mit Blut vermischte. Schamron fand einen Pariser Arzt, einen Sajan, der Gabriel ein Fläschchen mit starken Beruhigungspillen gab. Binnen weniger Wochen war er süchtig.
    Die Pillen und der Streß ließen Gabriel erschreckend altern. Seine Haut verhärtete sich, die Mundwinkel gingen nach unten, seine Augen wurden glanzlos. Sein schwarzes Haar ergraute an den Schläfen. Er war damals 22 Jahre alt, sah aber mindestens wie 40 aus. Als er nach Hause kam, erkannte Leah ihn kaum wieder. Als sie sich liebten, sagte sie, ihr komme es vor, als schlafe sie mit einem anderen Mann - nicht mit einem älteren Gabriel, sondern mit einem Wildfremden.
    Er spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht, schrubbte es kräftig mit einem Papierhandtuch ab und begutachtete sein Spiegelbild dann erneut. Wie zuvor. Er dachte über die Kette von Ereignissen nach - das bizarre Roulett des Schicksals -, die ihn an diesen Ort geführt hatte. Hätte es keinen Hitler, keinen Holocaust gegeben, wären seine Eltern in Europa geblieben, statt in einen staubigen Kibbuz im Jezreeltal zu fliehen. Vor dem Krieg war sein Vater Essayist und Historiker in München gewesen, seine Mutter, eine begabte Malerin, stammte aus Prag, und beide hatten sich nicht recht an den Kollektivismus der Siedler oder die Begeisterung der Zionisten für körperliche Arbeit gewöhnen können. Gabriel behandelten sie weniger wie einen Jungen, der andere Bedürfnisse hatte als sie, sondern mehr als einen kleinen Erwachsenen. Sie erwarteten, daß er sich selbst unterhielt und versorgte. Seine früheste Kindheitserinnerung betraf eine Szene aus ihrem kleinen Zweizimmerhaus in der Siedlung:

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