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Der aufziehende Sturm

Der aufziehende Sturm

Titel: Der aufziehende Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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in der Burg sprach man davon, dass sich Elaida immer stärker auf Katerine verließ, jetzt, da ihre Behüterin der Chroniken in einer geheimnisvollen Mission unterwegs war.
    Katerines scharf geschnittenes Gesicht trug ebenfalls ein Lächeln. Das war kein gutes Zeichen. »Hier«, sagte sie und hielt einen Holzbecher mit einer klaren Flüssigkeit. Es war Zeit für Egwenes Nachmittagsdosis Spaltwurzel.
    Egwene schnitt eine Grimasse, nahm aber den Becher und trank ihn leer. Sie wischte sich den Mund mit dem Taschentuch ab und ging dann langsam weiter.
    »Und wo genau wollt Ihr hin?«, wollte Katerine wissen.
    Die Selbstzufriedenheit in ihrem Tonfall ließ Egwene zögern. Stirnrunzelnd drehte sie sich um. »Mein nächster Unterricht ...«
    »Für Euch wird es keinen weiteren Unterricht mehr geben«, sagte Katerine. »Jedenfalls nicht von der Art, wie Ihr ihn erhalten habt. Alle sind sich einig, dass Eure Fähigkeiten mit Geweben für eine Novizin beeindruckend sind.«
    Egwene begriff es nicht. Wollte man sie wieder zur Aufgenommenen erheben? Sie bezweifelte, dass Elaida ihr mehr Freiheiten zugestehen würde, und sie verbrachte nur selten Zeit in ihrem Zimmer, also würde der zusätzliche Platz nicht wichtig sein.
    »Nein«, sagte Katerine und spielte mit den Fransen ihrer Stola. »Man hat entschieden, dass Ihr mehr Demut lernen müsst. Die Amyrlin hat von Eurer albernen Weigerung gehört, vor den Schwestern einen Knicks zu machen. Ihrer Meinung nach ist das das letzte Symbol Eurer trotzigen Natur, also sollt Ihr eine neue Art von Unterricht erhalten.«
    Egwene verspürte einen Anflug von Furcht. »Was für ein Unterricht?«, fragte sie mit beherrschter Stimme.
    »Arbeit«, erwiderte Katerine.
    »Ich erledige bereits meine Arbeit, genau wie die Novizinnen.«
    »Ihr versteht nicht«, sagte Katerine. »Von jetzt an werdet Ihr nur noch Hausarbeit erledigen. Ihr habt Euch sofort in der Küche zu melden - Ihr werdet dort jeden Nachmittag arbeiten. Am Abend werdet Ihr die Böden schrubben. Am Morgen meldet Ihr Euch beim Burgmeister zur Arbeit in den Gärten. Das wird Euer Leben sein, jeden Tag die gleichen drei Aktivitäten - jede von ihnen fünf Stunden lang -, bis Ihr Euren dummen Stolz aufgebt und lernt, den Euch Höhergestellten den nötigen Respekt zu erweisen.«
    Das war das Ende von Egwenes Freiheit, so gering sie auch sein mochte. In Katerines Augen funkelte Schadenfreude.
    »Ah, Ihr habt es begriffen. Schluss mit den Besuchen in Schwesterngemächern, um ihre Zeit mit dem Üben von Geweben zu verschwenden, die Ihr bereits gemeistert habt. Schluss mit der Faulheit; jetzt werdet Ihr stattdessen arbeiten. Wie findet Ihr das?«
    Es war nicht der Gedanke an schwere Arbeit, der Egwene Sorgen bereitete - sie hatte nichts gegen die Hausarbeiten, die sie jeden Tag verrichtete. Es war der mangelnde Kontakt mit den anderen Schwestern, der sie vernichten würde. Wie sollte sie die Weiße Burg wieder vereinen? Beim Licht! Das war eine Katastrophe.
    Sie biss die Zähne zusammen und bezwang ihre Gefühle. Dann erwiderte sie Katerines Blick und sagte: »Gut. Lasst uns gehen.«
    Katerine blinzelte. Offensichtlich hatte sie einen Wutanfall erwartet oder zumindest eine Auseinandersetzung. Aber das war nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Egwene wandte ihre Schritte der Küche zu und ließ das Quartier der Weißen hinter sich zurück. Sie durfte sie nicht wissen lassen, wie effektiv diese Bestrafung war.
    Unterwegs kämpfte sie ihre Panik nieder; die höhlenartigen Gänge in den Tiefen der Burg waren mit in Haltern steckenden, langen und geschmeidigen Lampen versehen, die an Schlangenköpfe erinnerten, die winzige Flammen zur Decke spuckten. Sie konnte damit fertig werden. Sie würde damit fertig werden. Sie würden sie nicht brechen.
    Vielleicht sollte sie ein paar Tage lang arbeiten und dann so tun, als hätte man ihr Demut eingebläut. Sollte sie den Knicks machen, den Elaida forderte? Eigentlich war das nur eine Kleinigkeit. Ein Knicks, und sie könnte sich wieder um ihre wichtigeren Pflichten kümmern.
    Nein. Nein, damit würde es nicht aufhören. Ich würde in dem Augenblick verlieren, in dem ich das erste Mal einen Knicks mache.
    Nachzugeben würde Elaida beweisen, dass man ihren Willen brechen konnte. Den Knicks zu machen wäre der Anfang in den Abstieg in die Vernichtung. Danach würde Elaida verlangen, dass sie die Aes Sedai mit ihrem Ehrentitel ansprach. Die falsche Amyrlin würde sie zurück an die Arbeit schicken, in dem

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