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Der Augenblick der Liebe

Der Augenblick der Liebe

Titel: Der Augenblick der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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daß sie älter wäre? Ja?! Näher dran an ihm? Oder geht¹s doch  um  ihre  Unentwickeltheit  überhaupt?  Oder  Freudisch:  Ihre  Unentwickelbarkeit  überhaupt.  Denn:  Wieso  soll  sich  eine  überhaupt  entwickeln  ohne  ein  sie  andauernd  hochpeit schendes ÜberIch?! Nicht wahr! 
98 0   F.  70%  Feuchtigkeit.  Der  Ventilator  rauscht.  Sie  wird  sich jetzt doch noch in die Sonne legen. Gestern auch schon.  Jaaa!  Die  allzu  bleiche  Haut  ist  getönt.  Bronze.  Die  Haare  heller. Honigblond, sagte einmal Glen O., aber er ist, wie alle  wissen,  farbenblind.  Allwissend,  aber  farbenblind.  Und  vernichtend  freundlich.  Dabei  bleibt  sie.  Panicstricken.  Sie  nennt  ihre  Haarfarbe  puddle  blond.  So  sind  hier  Pfützen  nach jähem Regen, alles, was zwischen braun und beigegrün  möglich  ist.  Morgen,  Termin  bei  Dr.  Douglas.  Morgen  ist  inzwischen  heute.  Um  8  Uhr  30  auf  die  Couch.  Nicht  ein schlafen. Der Kopf nie so leer wie dienstags 8 Uhr 30. Nichts sagenkönnen  ist  gleich  Schweigen  ist  gleich  Widerstand.  Und abends ins Bistro mit Jeffrey. Ach, er kennt Jeffrey noch  nicht.  Der  hat  gelegentlich  keuschen  Unterschlupf  gesucht  bei ihr, obwohl er, verglichen mit ihr, feudal wohnt. Er hatte  monatelang  die  Asche  seines  Vaters  bei  sich  im  Apartment,  er  sollte  sie,  im  Auftrag  der  Familie,  nachts  auf  dem  Green  ausstreuen;  der  Vater  hat  hier  studiert  und  lebenslang  vom  Campus  geschwärmt;  sie  hat  Jeffrey,  der  ängstlich  ist,  geholfen, praktisch hat sie in mondloser Nacht die Alumnus Asche  gestreut;  daß  ihr  German  Other  weiß,  was  ein  Alumnus  ist,  unterstellt  sie,  und  mit  Jeffrey,  dem  Ängst lichen, ißt sie heute. 
Musik  und  Mordgedanken.  Die  Musik  (Supremes)  extra  laut,  daß  die  Sittiche,  die  sie  gerade  wieder  in  Vollpension  hat, nicht zu hören sind. Geträumt: Sie beide in einem großen  Raum,  übervoll  von  Menschen.  Sie  entfernen  sich  immer  mehr  von  einander,  aber  sie  verständigen  sich  wortlos,  mit  den  Augen.  Jeder  weiß  genau,  was  der  andere  denkt.  Kann  etwas schöner sein. Jeder denkt das Wort: liebestoll. Geweckt  von  den  lärmenden  Sittichen.  Vergessen  gehabt,  die  Decke  über den Käfig zu legen, daß das Dunkel die noch eine Zeit  lang getäuscht hätte. Das hat ihr natürlich, als sie bei ihm im  Gang über den Morgenlärm der Sittiche gejammert hat, Rick  Hardy  geraten.  Er  ist  nicht  wie  Glen  O.  ein  Allwissender,  sondern  ein  Alleswisser.  Gottliebs  Hände!  Nicht  ums  Verrecken  liefert  l¹imagination  seine  Hände.  Sein  Mund    wird  ...  ihre  Haut  wird  ...  sie  will  ihn  so  ...  Vorsicht.  Die  Vorfreude  ist  die  Falle.  Fast  100°  F.  80  %  Luftfeuchtigkeit.  Keine Lust, das Schwarzseidene anzuziehen. Daß er so kurz  hinter  einander  dreimal  angerufen  hat.  Paß  doch  auf,  Mensch. Bitte, paß ja nicht auf. 
Wer sollte ihr helfen. Sie durfte, konnte nicht mehr schrei ben. Sobald sie sich hinsetzte und schrieb, stand nachher auf  dem Papier: Kommmm. Gerade blitzte es. Lautlos. Ach nein,  der Donner kam zögerlich hinterher. Kein Regen, aber doch  Entladung. Immerhin. 
Von  Wut  übermannt  (!).  Gestern.  Sie,  im  Abteilungsbüro,  schnell  mal  am  Schreibtisch  der  Sekretärin,  was  tippen,  da  kam  ihr  leibhaftiges  ÜberIch  namens  Glen  O.  Rosenne  he rein, sah sie und sagte: Oh, do we have a new ... Sie fuhr auf  und  ihm  dazwischen:  Don¹t  even  think  of  it.  Und  er:  If  you  don¹t want to be the new secretary, I take lt you¹re there for  purely  decorative  purposes.  Und  sie,  tollkühn:  Boy,  that¹s  a  sexist  remark.  Und  er:  Some  women  would  take  it  as  a  compliment.  Und  ließ  sein  lippenloses  Lächeln  lieblich  ge frieren. Die Wut: Säße Steve oder Tom oder Rick auf diesem  Stuhl,  würde  er  sie  fragen,  woran  sie 

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