Der Augenblick der Liebe
Sie weiß, daß alles, was sie jetzt denkt und tut, nichts ist als die Feier seiner Nichtanwesenheit.
Der Sexual Harassment Officer rief an. Rick Hardy hat alles als joke erklärt. Sollte, was er als Witz und Parodie und Unterhaltungsbeitrag gedacht hat, falsch verstanden, also für ernst gemeint gehalten worden sein, tut ihm das awfully leid. Er ist bereit, für die Stiftung eines solchen Mißverständ nisses jede Buße zu tun, die die Mißverstehende billigerweise von ihm fordern könne. Sie rief den Officer an und sagte, sie ziehe ihr Schreiben zurück, da sie sich für eine Auseinan dersetzung nicht stark genug fühle. Das kam ihr diplo matisch vor.
Von Dr. Douglas geträumt. Sie fühlte seinen muskulösen Nacken. Seine Wohnung, ein Antiquitätengeschäft. Die Um armung, leidenschaftlich. Er führte sie zur Couch. Weiterhin leidenschaftlicher Verlauf. Er, tätowiert, amputiert, Stumpf hier, Stumpf da, VietnamVeteran. Sie hat einfach keinen Bock, die counter transferenceBildchen in Deutschlands Süden zu mailen. Aber daß sie sich im Traum bewies, sie könne Ekelerregendes deftig lieben − was beweist das dem German Other? Viel! Alles nur Kastrationskomplex, wa! Nicht: Penis weg! Sondern: Phallus runter! Welch eine Sklaverei. Unter Wörtern gehen wie unterm Joch. Jede Bewegung schmerzt, weil die Vokabularketten scheuern. Da soll jemand zu sich kommen! Und wo kommt er hm? Zu Vokabeln! Das, was man außen trägt, kann dadurch, daß man¹s wählt, zusammenstellt und dann trägt, zu etwas erträglich Eigenem werden. Aber wieviel Fremdwörter kann man sich einverleiben (!), ohne sich innen fremd zu werden?
Sie will undankbar sein. Das importierte InnenDress verbindet sich nicht mit ihr selbst. Seelische Immunreaktion. Es wird ihr abverlangt, sich zu unterwerfen, das ist der Preis für Schutz und Halt, nur um diesen Preis können die Herren väterlich werden und wirken. Seit die von Glen O. angeregte Panik in ihr so grassiert, daß sie jede Nacht auflodern und schlafvernichtend weiterlodern kann bis in den Morgen, sucht sie im Gedankengespräch mit ihrem German Other Schutz, Zuflucht, Bleibe. Das sollte sie nicht. Und wenn sie¹s tut, sollte sie¹s ihm nicht auch noch hinreiben. Ihm zu gestehen, wie schwer es ihr fällt, ihm etwas nicht zu gestehen! Neben ihrem Bett steht, gerahmt hinter Glas, das Photo von ihrer Graduation. Vassar College. Siebzig Meilen nördlich von N.Y. Sie zwischen den Fakultätsroben und den B.A.¹s. Sie direkt neben der Vassarpräsidentin Virginia B. Smith. Tröstlich dick. Der Zigarettenreklamespruch Virginia slims war immer präsent. 650 B.A.¹s. Sie, die einzige Magis terin. In schwarzer Robe. Unterm Magisterhut mit schwarzer Quaste. Nach der Zeremonie bemerkte sie, an sich hinunter schauend, daß sie links einen dunkelblauen Schuh anhatte und rechts einen schwarzen. Eigentlich ist das so geblieben. Panik vor der nächsten Hürde. Springreiterei forever. Dieses Murksen und Placken in der ersehnten sommerlichen Einsamkeit. Neid auf die Verreisten. Auf dem Balkon, das Blumenmeer als Ersatz. Madelon redet (beim Essen, im Restaurant) ununterbrochen und laut. Der totale southern drawl, alle schauen her, ihr egal. Sushi samplers und California rolls nimmt sie nicht wahr. Zuletzt ging¹s gegen Freud, weil er den Frauen weniger ÜberIch zugesteht als den Männern. Themire dachte natürlich sofort daran, daß ihr German Other sie des öfteren gern älter hätte. Warum, fragt sich Themire. Schreibt sie ihm zu unreifgirliehaft und unintellektuell, oder was?! Warum soll sie älter sein? Nur
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