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Der Augenblick der Liebe

Der Augenblick der Liebe

Titel: Der Augenblick der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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Sie weiß, daß alles, was sie jetzt denkt und tut, nichts ist als  die Feier seiner Nichtanwesenheit. 
Der Sexual Harassment Officer rief an. Rick Hardy hat alles  als  joke  erklärt.  Sollte,  was  er  als  Witz  und  Parodie  und  Unterhaltungsbeitrag gedacht hat, falsch verstanden, also für  ernst  gemeint  gehalten  worden  sein,  tut  ihm  das  awfully  leid. Er ist bereit, für die Stiftung eines solchen Mißverständ nisses jede Buße zu tun, die die Mißverstehende billigerweise  von ihm fordern könne. Sie rief den Officer an und sagte, sie  ziehe  ihr  Schreiben  zurück,  da  sie  sich  für  eine  Auseinan dersetzung  nicht  stark  genug  fühle.  Das  kam  ihr  diplo matisch vor. 
 
Von  Dr.  Douglas  geträumt.  Sie  fühlte  seinen  muskulösen  Nacken. Seine Wohnung, ein Antiquitätengeschäft. Die Um armung, leidenschaftlich. Er führte sie zur Couch. Weiterhin  leidenschaftlicher  Verlauf.  Er,  tätowiert,  amputiert,  Stumpf  hier,  Stumpf  da,  VietnamVeteran.  Sie  hat  einfach  keinen  Bock,  die  counter  transferenceBildchen  in  Deutschlands  Süden  zu  mailen.  Aber  daß  sie  sich  im  Traum  bewies,  sie  könne  Ekelerregendes  deftig  lieben −  was  beweist  das  dem  German  Other?  Viel!  Alles  nur  Kastrationskomplex,  wa!  Nicht:  Penis  weg!  Sondern:  Phallus  runter!  Welch  eine  Sklaverei.  Unter  Wörtern  gehen  wie  unterm  Joch.  Jede  Bewegung schmerzt, weil die Vokabularketten scheuern. Da  soll  jemand  zu  sich  kommen!  Und  wo  kommt  er  hm?  Zu  Vokabeln!  Das,  was  man  außen  trägt,  kann  dadurch,  daß  man¹s  wählt,  zusammenstellt  und  dann  trägt,  zu  etwas  erträglich Eigenem werden. Aber wieviel Fremdwörter kann  man sich einverleiben (!), ohne sich innen fremd zu werden? 
Sie  will  undankbar  sein.  Das  importierte  InnenDress  verbindet sich nicht mit ihr selbst. Seelische Immunreaktion.  Es wird ihr abverlangt, sich zu unterwerfen, das ist der Preis  für Schutz und Halt, nur um diesen Preis können die Herren  väterlich werden und wirken. Seit die von Glen O. angeregte  Panik  in  ihr  so  grassiert,  daß  sie  jede  Nacht  auflodern  und  schlafvernichtend  weiterlodern  kann  bis  in  den  Morgen,  sucht  sie  im  Gedankengespräch  mit  ihrem  German  Other  Schutz, Zuflucht, Bleibe. Das sollte sie nicht. Und wenn sie¹s  tut,  sollte  sie¹s  ihm  nicht  auch  noch  hinreiben.  Ihm  zu  gestehen,  wie  schwer  es  ihr  fällt,  ihm  etwas  nicht  zu  gestehen!  Neben  ihrem  Bett  steht,  gerahmt  hinter  Glas,  das  Photo von  ihrer Graduation. Vassar College. Siebzig Meilen  nördlich von N.Y. Sie zwischen den Fakultätsroben und den  B.A.¹s.  Sie  direkt  neben  der  Vassarpräsidentin  Virginia  B.  Smith.  Tröstlich  dick.  Der  Zigarettenreklamespruch  Virginia  slims  war  immer  präsent.  650  B.A.¹s.  Sie,  die  einzige  Magis terin. In schwarzer Robe. Unterm Magisterhut mit schwarzer  Quaste. Nach der Zeremonie bemerkte sie, an sich hinunter schauend,  daß  sie  links  einen  dunkelblauen  Schuh  anhatte  und rechts einen schwarzen. Eigentlich ist das so geblieben.  Panik vor der nächsten Hürde. Springreiterei forever. Dieses  Murksen  und  Placken  in  der  ersehnten  sommerlichen  Einsamkeit.  Neid  auf  die  Verreisten.  Auf  dem  Balkon,  das  Blumenmeer  als  Ersatz.  Madelon  redet  (beim  Essen,  im  Restaurant)  ununterbrochen  und  laut.  Der  totale  southern  drawl,  alle  schauen  her,  ihr  egal.  Sushi  samplers  und  California  rolls  nimmt  sie  nicht  wahr.  Zuletzt  ging¹s  gegen  Freud,  weil  er  den  Frauen  weniger  ÜberIch  zugesteht  als  den Männern. Themire dachte natürlich sofort daran, daß ihr  German Other sie des öfteren gern älter hätte. Warum, fragt  sich  Themire.  Schreibt  sie  ihm  zu  unreifgirliehaft  und  unintellektuell,  oder  was?!  Warum  soll  sie  älter  sein?  Nur 

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