Der Augenblick der Liebe
bin ich nicht mehr, falls gefragt wird, hier.
Dann kam der Brief. Es gibt noch schöne deutsche Wörter, auch neuere. Luftpost. Und wenn sie dann auch noch aus Chapel Hill kommt. Einen schöneren Ortsnamen als Chapel Hill kann es nicht geben. Er flog dem Luftpostbrief entgegen, riß das Kuvert auf, spürte schon den Inhalt, kein Briefpapier, ein festlicher goldgeränderter Karton:
We were married
on April 23, 2001.
Beate J. Gutbrod
and Dr. Rick W. Hardy
4.
Der See machte auf sich aufmerksam. Er rauschte. Zu dringlich laut, als wolle er unüberhörbar sein. Man schaut hinunter und sieht ihn, wie er heftig vorbeischiebt, als wäre er ein Fluß. Von Westen nach Osten schob er heute seine grellgrünen Massen. Seine in der Sonne gleißenden Wellen. Grüngold gleißend. Und immer wieder weiß brechend. Das sagte dem Segler, daß der Wind auf Stärke fünf zuging.
Gottlieb schaute von der Terrasse aus zu. Er hatte sich auf den Platz der Besucherin gesetzt. Dolphins mating, dachte Gottlieb. Und rannte hinunter. Von weit draußen hörte er Segel knattern, bevor sie beim Wenden Wind faßten und in die neue Richtung schlugen. Ohne diese Signale der brau senden Bäume und des im Aprilsturm rauschenden Sees wäre er wahrscheinlich nicht hinuntergerannt.
Der Wind hat für Bläue gesorgt, die Sonne prahlt, als habe sie das geschafft. Und jagt den Mond vom Himmel.
Gottlieb hörte dem nichtssagenden Rauschen zu. Und fühlte sich informiert. Brausender, gleißender Apriltag. Weder warm noch kalt. Nur brausend. NIOBE steckte noch in ihren Winterhüllen. Er befreite sie, räumte das ange schwemmte Holz vom Schienenweg, dann ging er hinauf, zog sich um, kochte, Zucchini indisch, wartete auf Anna. Sie aßen so stumm, wie das üblich war. Seine Zucchini lobte sie. Zum Kaffee servierte er ihr Calvados, aber sich auch. Anna staunte und sagte: Unglaublich. Was? Fragte er. Was dir alles einfällt. Sie wies auf seine Segelkleidung. Wenn du dich beeilst, darfst du mit, sagte er. Schau doch, und wies hin auf Wind, Wellen, Glanz und Brausen. Oder ob sie heute nachmittag nicht frei nehmen könne? Dann müsse er allein starten. Wäre aber schade. Das Wetter reicht für zwei, sagte er. Also, sagte er, höchste Zeit. Komm oder komm nicht. Daß er, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, hastig wurde, war sie gewohnt. Das rechnete sie zu seinen unbehebbaren Kindlichkeiten. Er will etwas, dann aber gleich.
Auf der NIOBE begrüßte er sie dann wie immer, das heißt, so wie der Kapitän eines Transatlantikkurses die an Bord gekommenen Gäste begrüßt.
Da fiel ihm ein: Er hatte die Schwimmwesten vergessen. Also hinauf ins Haus und in den Keller und zurück. Er warf die Westen Anna zu, daß sie sie verstaue. Er löste die Leinen, mit denen der Bootswagen vertäut war, ließ die NIOBE auf dem Wagen ins Wasser gleiten, bis sie sich vom Wagen abhob und schwamm. Wie beim Stapellauf. Anna hatte immer noch die Schwimmwesten in den Händen, als habe sie vergessen, wo die zu verstauen seien. Er rief ihr zu: In der Kajüte! Sie rief zurück: Sie könne erst in die Kajüte, wenn sie draußen seien. Er rief zurück: Platzangst, ja! Da er schon dabei war, das Großsegel hochzuziehen und der Wind sofort in das noch nicht belegte Segel schlug, hatte Anna wohl nicht verstanden, was er gesagt hatte. Aber bei den Sätzen, die gewöhnlich
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