Der Augenblick der Liebe
kühlten nicht mehr ab. Er hat ihre Selbstzensur zersetzt. Thanks for lending yourself to my fiction. In zehn Tagen begann der normale Unterricht. Jeden Morgen von 8 bis 10 Uhr 30. Nur noch leise Wut auf sich selbst. Weil sie sich nicht rechtzeitig abgefangen hat. Wann wäre das gewesen, rechtzeitig? Und schon vermißte sie morgens sein Wecken. So schnell entsteht eine Erwartung. Alberta Hunter. Ihre Trösterin. Und bügeln. Drei Ladungen Wäsche. Und Haare waschen. In der Hitze jetzt: abschneiden lassen. Nein. Durchhalten. Seinetwegen. Bis März. Bis ...
Immer noch fehlten ihr seine Hände. Auf der Terrasse hatte sie − es dauerte ja, alles in allem, nur zweieinhalb Stunden − nichts als sein Gesicht mitgekriegt. Mund und Augen, sonst nichts. Wahrscheinlich hat das Cordhemd mit seinem verzehrenden Lichtblau die Hände praktisch verschwinden lassen. Vielleicht hat sie deswegen von einem Dr. Douglas mit amputierten Händen geträumt. Schlicht beängstigend: daß sie sich nicht mehr am Ausmalen seiner Anwesenheit zu hindern vermag. Und jedesmal läuft der selbe Film ab. Sie wird auf ihn warten, er kommt auf sie zu, und blitzartig wird klar sein: was sie einen Sommer lang gesponnen, geredet, geschrieben haben, hat mit dem jetzt Wirklichen nichts gemein. Irgendwann wird dann doch einer von beiden etwas sagen. Sie weiß: nur jetzt kein falsches Wort. Vor allem: kein Wort zuviel. Und hört sich reden wie einen Sturzbach. Sie war doch dort auf der Terrasse mit Tarte Tatin, Frau Anna, dunkelstblau gewandet, und mit einer dicken glatten rein runden Goldkette bewehrt, mit Calvados und den pünkt lichen Schwänen und der Orgel La Mettrie, da war sie doch zu selfconscious − deutsch sagt man wohl, eher rätselhaft, befangen dazu −, um von ihm mehr als die Augen und den Mund für spätere Abrufbarkeit zu speichern. Der Mund, der sich selber andauernd zurücknehmende und eben dadurch auf sich aufmerksam machende. Die meisten Männer hier sind, darf man sagen, dünnlippig. Oberlizard: Glen O. Rosenne. Zuzugeben ist, daß sie, bevor er wirklich hier eintreffen wird, gern ein Photo hätte, eins ganz von vorn, vielleicht MIT Händen, einfach daß sie, was sich in ihr zusammengebraut hat, ein bißchen der Wirklichkeit anglei chen kann. Diese Angleichung etwa zu verschieben, bis er auf ihrem Sofa sitzt, hält sie für riskant. Ihr Sofa, das sie übrigens aus dem Hinterlaß einer Mörderin gekauft hat − MörderinnenHausrat ist der billigste −, ihr hellbeiges und trotzdem fleckenloses Sofa eignet sich nicht zu solchen Maßnahmen. Sobald er und sie bei ihr sind, verliert sie den Verstand. Sie hält es für fair, ihm das schon vorher mitzuteilen. Heiliger Julien Offray, steh uns bei. Sie können sich doch, wenn er da ist, kalifornischen Rotwein einflößen, vorsätzlich, mildernder Umstände wegen. Und wie kommt sie überhaupt dazu, sich ihn hier vorzustellen! Hierher wird er nie kommen. Vier Tage Kalifornien. Oder fliegt er dann noch mit nach NC ? Schlüpft hier herein und unter. Schlüpfen! Deutsch ist toll!
In genau 6 ½ Stunden ist es eine Woche her, daß er sie ge weckt hat. Sie wünscht sich, die Zeit zurückdrehen zu können, daß sie die letzten drei Telephonate noch vor sich hätte. Daß er telephonisch die sogenannte Fassung leichter verliert als auf dem Papier, erfüllt sie mit den rosigsten Hoffnungen! Daß er beim gestrigen Morgengespräch fragte, was sie denn heute anziehe, hat sie sozusagen bezaubert. Noch keinen Mann hat das bisher interessiert. Da war immer sie diejenige, die sich dem
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